Dienstag, 8. Dezember 2009

Merry Christmas

Die Geschenke sind eingepackt, die Lebkuchen von Lidl, die es auch hier zu kaufen gibt, aufgegessen und das Krippenspiel im Kindergarten (der kleine Autofanatiker war ein ganz wunderbarer King) gesehen. Es ist Zeit. Morgen fliegen wir nach Deutschland in den Weihnachtsurlaub. Deshalb hat der Blog jetzt erst mal Pause.

Frohe Weihnachten!

Erwachsen werden?

Ich beschwere und belustige mich ja gern immer mal über mein Gastland. Heute jedoch möchte ich einmal etwas von den guten Dingen hier erwähnen: die Sunday Times. Was gibt es besseres als an einem verregneten Sonntag (schließlich ist das England und das Klischee vom schlechten Wetter auf der Insel scheint besonders oft sonntags zuzutreffen) gemütlich im Wohnzimmer zu sitzen und stundenlang die Zeitung zu lesen? Was habe ich nur an den Sonntagen in Deutschland gemacht, als ich die Sunday Times nicht lesen konnte? Und bevor jetzt jemand spitzfindig bemerkt, die könne man ja auch in Deutschland kaufen, nein, ich habe es versucht und es nicht die gleiche Ausgabe, es fehlen die wunderbaren Magazine.

Jedoch fiel mir am vergangenen Sonntag bei der Lektüre etwas auf: während noch vor einigen Monaten oder vielleicht auch schon Jahren mein erster Griff dem Reiseteil galt, lese ich nun mit größter Neugier als erstes den Immobilienteil. Die Erkenntnis erschütterte mich etwas. Also eigentlich ziemlich. Jeder Mensch hat ja so ein Selbstbild von sich, eine Vorstellung. In meiner Vorstellung war ich immer noch jemand, der mit dem Rucksack unterwegs ist, heute hier, morgen da. Vom Campingurlaub mit kleinen Kindern in Indien hatte ich immer geträumt. Eine Safari in Afrika wollte ich ihnen zeigen, sobald sie laufen konnten. Auf keinen Fall sesshaft werden. Kochen? Bügeln? Nicht mit mir. Und jetzt? Der Immobilienteil?? Erschrocken liess ich die Zeitung aus der Hand fallen und griff mir den Reiseteil.

Und ich fragte mich dabei: wie konnte es nur dazu kommen? Bin ich einfach nur älter und bequemer geworden? Haben meine Kinder einen Spießer aus mir gemacht? Wieso weiß ich plötzlich nicht mehr die besten und geheimsten Top-Tipp-Reiseziele in Südamerika, aber dafür kenne ich mich bestens mit dem Angebot bei Cath Kidston aus?

Aber auch obwohl mir der Schreck in den Gliedern saß, konnte ich nicht die gleiche Begeisterung für die Reiseberichte aufbringen. Denn irgendwie gefällt es mir in meiner neuen Welt, in der man sich am Samstag morgen stundenlang mit anderen Familien durch Ikea schiebt. In der man sich im All-Inclusive-Hotel am Urlaubsort keine Gedanken machen muss, ob es auch was für die Kinder zu essen geben wird. In der man einen guten Staubsauger zu würdigen weiß. In der man Geld für Zimmerpflanzen ausgibt.

Und ein kleiner Trost an mein altes Ich: schließlich heißt das ja nicht, dass der Rucksack jetzt für immer verschwindet. Ja, wenn die Kinder erst groß sind, dann geht es wieder los... Ganz bestimmt... Also... sehr wahrscheinlich.

Nur mein Selbstbild von mir muss ich nun ändern. Und wer weiß, vielleicht bügele ich ja sogar irgendwann meine Jeanshosen (von meiner Mutter schon lange gefordert, von mir stets als völlig überflüssig und verspießert abgelehnt worden).

Dienstag, 1. Dezember 2009

Die Grundsätze der Marktwirtschaft

In meinem Post von vor einigen Wochen bekannte ich mich ja bereits dazu, dass ich gelegentlich Bestechung benutze, um meinen Wunsch und den Willen meiner Kinder zu vereinbaren, d.h. den Willen meiner Kinder dahingehend zu verändern, dass er meinem Willen entspricht. Das kann man natürlich negativ sehen; ich kann mich nicht erinnern, schon jemals in einem Erziehungsratgeber gelesen zu haben, dass Bestechung ein wertvolles Mittel in der Kindererziehung sein soll. Aber ich habe beschlossen, ich werde jetzt nur noch die postiven Seiten sehen. Schließlich vermittle ich damit meinen Kindern ein wichtiges Prinzip der Marktwirtschaft: ich habe etwas, was du willst und dafür gibst du mir etwas, was ich will. Funktioniert in beide Richtungen. Einmal bin ich der Einkäufer, einmal bin ich der Verkäufer. Na also, eines der wichtigsten kapitalistischen Grundprinzipien schon im Alter von 3 Jahren verinnerlicht.

Vielleicht gibt es ja noch mehr gesellschaftspolitische Grundsätze, die ich meinen Kindern im häuslichen Bereich nahebringen kann.

Ganz ohne meine Hilfe haben sie schon sehr schön verstanden, wann man mit der Obrigkeit schön tun muss, um seinen Willen durchzusetzen oder wann lautes Beschweren (d.h. Schreien und Toben) am wirksamsten ist.

Oder wie ist es damit: Regeln des Zusammenlebens in einer Gesellschaft gelten für alle zum Wohle des Einzelnen und wer sie nicht befolgt, muss mit Sanktionen rechnen. Das haben wir Erwachsene selbstverständlich verinnerlicht, sonst würde ja zum Beispiel im Straßenverkehr Chaos herrschen. Kinder dagegen sind von Geburt Anarchisten, die dies erst lernen müssen. Hier kann ich bereits Erfolge melden. Der kleine Autofanatiker kommt mittlerweile in das Alter, in dem er die Regelbefolgung von allen einfordert. So fragt er mich zum Beispiel vor dem Essen manchmal inzwischen: "Hast du auch Hände gewaschen, Mama?" Aber natürlich, sonst müsste ich mir ja selbst den Nachtisch wegnehmen.

Und damit hängt auch eng die goldene Regel des Sozialverhaltens zusammen, die so schön in dem deutschen Sprichwort zusammengefasst wird: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Wenn ich da so einige Monate zurückdenke, als das Baby noch ein richtiges Baby war, dann kann ich durchaus feststellen, dass dieses Gebot der Nächstenliebe erst erlernt werden muss. Oft musste ich da einschreiten. Inzwischen aber ist das Baby kein richtiges Baby mehr, sondern holt sich die Spielsachen auch mal wieder, die der kleine Autofanatiker ihm wegnimmt oder spritzt in der Badewanne zurück mit Wasser und der kleine Autofanatiker bekommt plötzlich eine Ahnung davon, wie es ist, wenn man das einstecken muss, was man austeilt und wird vorsichtiger.

Woran wir allerdings noch arbeiten müssen, ist Diplomatie. Bemerkungen wie "Du bist ein alter Mann, Papa." sind zwar lustig aber selbstverständlich nur solange, wie der Satz nicht auf Mama angewendet wird.

Manches können Kinder daheim lernen, manches nicht. Eines zum Beispiel werden meine Kinder bei mir nicht lernen: Demokratie. Denn ich bin der Monarch und ich habe das Sagen. Obwohl ich mich manchmal schon frage, wer der König ist (und das nicht nur, weil der kleine Autofanatiker gestern mit mir Krippenspiel nachspielen wollte, wobei er einer der Könige war und ich das Kamel...).

Dienstag, 24. November 2009

Von Beruf: Mutter

Ich möchte zunächst etwas voranstellen: ich bin im Moment hauptberuflich Mutter und ich bin es gern! Ich genieße es, den ganzen Tag mit meinen Kindern verbringen zu dürfen.
Aber wie in jedem Job gibt es auch so einige Sachen, über die ich mich gern einmal beschwere. Nur so ein bißchen. Hier. Ganz unter uns. Wenn man da erst mal anfängt, darüber nachzudenken, kann die Liste ganz schön lang werden (genauso lang wie die Liste von Sachen, die toll sind, wenn man hauptberuflich Mutter ist). Ich will mich aber heute auf zwei Dinge beschränken:
Der kleine Autofanatiker bekam vor einiger Zeit einen kleinen Spielcomputer, mit dem man das Buchstabieren lernen kann. Der Computer fragt zum Beispiel "Mit welchem Buchstaben beginnt das Wort Affe?". Wenn man dann auf das "A" drückt, ertönt es "Gut gemacht". Neulich ertappte ich mich dabei, wie ich vor dem Computer saß und alle Fragen des Computers ganz beflissen beantwortete. "Gut gemacht." Ach, es tat so gut, mal wieder ein "Gut gemacht." zu hören. Oder auch gleich zwanzig Mal hintereinander. Denn ein "Gut gemacht" hört man so selten als Mutter. Keiner sagt "Gut gemacht", wenn man im Supermarkt ist und zwei Kinder so unterhalten kann, dass beide voller Freude im Einkaufswagen sitzen. Keiner sagt "Gut gemacht", wenn man im Park gerade noch eine Toilette findet, bevor alles in die Hose geht. Keiner sagt "Gut gemacht", wenn man das Kind endlich soweit hat, dass es "Danke" sagt, wenn es einen Keks geschenkt bekommt.
Und dann wäre da noch die Langeweile. Natürlich hat jede Arbeit so ihre langweiligen Seiten. Aber lässt es sich mit der Langeweile auf Spielplätzen vergleichen? Auch das gerührteste und empfindsamste Mutterherz schlägt wahrscheinlich nicht mehr voller Stolz, wenn das Kleinkind nach einer Stunde auf der Rutsche immer noch rutschen will. Meines tut es jedenfalls ganz sicher nicht, sondern ich habe dann eher das Bedürfnis zu schreien: "Hoch, runter, hoch, runter, was soll denn daran so lustig sein???"
Aber gut. Ich muss Schluss machen. Gerade schlafen die Kinder. Ich habe noch Zeit für eine Runde auf dem Kindercomputer. "Gut gemacht." Ah, schön.

Dienstag, 17. November 2009

Warum Schuluniformen auch ihr Gutes haben

Wie den meisten wahrscheinlich schon bekannt ist, gibt es in Großbritannien in den allermeisten Schulen Schuluniformen. Sogar in manchen Kindergärten und Vorschulen geht es damit schon los und je nach Schule kann es dann schon vorkommen, dass die kleinen Jungs ab 4 Jahren mit Schlips unterwegs sind, den sie dann wahrscheinlich erst im Rentenalter wieder ablegen.
Bis vor kurzem hat mir der Gedanke, dass der kleine Autofanatiker ab dem nächsten Herbst auch in eine solche Uniform gezwängt werden wird, geradezu Tränen in die Augen getrieben, so furchtbar finde ich die Idee, Kinder zu entindividualisieren und zu einem Teil einer großen Masse machen zu wollen.
Seit dem letzten Wochenende habe ich aber zum ersten Mal auch etwas Gutes an der Schuluniform entdeckt. Da erwähnte ich nämlich in großer Naivität dem großen Autofanatiker gegenüber, dass der kleine Autofanatiker doch eigentlich mal eine neue Hose benötigen würde. Ich ahnte noch nichts Schlimmes, als die beiden kurz darauf in dem Supermarkt fuhren. Auch als sie gutgelaunt wieder zurückkamen, freute ich mich noch mit ihnen. Erst als sie mir stolz das Ergebnis ihres Einkaufes zeigten, gefror das Lächeln in meinem Gesicht. Die Hose, die sie ausgesucht hatten, ist einfach scheußlich, abgrundtief hässlich, bäh, naja, ihr versteht. Und sie passte auch noch perfekt!
Ich befand mich nun in einem erzieherischen Dilemma. Sollte ich die Hose klammheimlich in den Laden zurückbringen? Sie einfach verschwinden lassen? Oder sollte ich dem kleinen Autofanatiker erlauben, damit auf die Straße zu gehen, mich damit abfinden, diese Hose ständig vor Augen haben zu müssen und möglicherweise Ausschluss aus verschiedenen Mütterkreisen riskieren? Ich hatte eigentlich gedacht, wenn man Söhne hat, muss man den Satz "So gehst du mir aber nicht aus dem Haus!" gar nicht erst in seinen Wortschatz aufnehmen und schon gar nicht im Alter von 3 Jahren. Aber da hatte ich mich offensichtlich geirrt.
Ich versuchte es zunächst mit einem Mittelweg: Bestechung. "Wollen wir nicht diese Hose wieder in den Laden bringen, gegen eine billigere eintauschen und für das Geld bekommst du dafür auch ein Auto?"
"Nein, ich will diese Hose." Ja, was sollte ich da machen. Wenn nicht mal ein Auto locken konnte, musste es ihm ernst sein. Mein mütterliches Herz war hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, mein Kind mit ästhetisch wertvollen Idealen auszustatten und seine eigene Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Am Ende siegte das Letztere, weil den kleinen Autofanatiker die Hose so offenkundig glücklich machte.
Aber, und hier kommen wir wieder auf die Schuluniform zurück, ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ab dem nächsten Jahr, für den größten Teil der Woche diese Art Diskussion hinfällig werden wird.
Diese Hose allerdings wird wohl noch eine Weile in unserem Haus bleiben. Jetzt erhielt sie auch noch das Gütesiegel von der Mrs, die ihm gestern als erstes dazu ein Kompliment aussprach. Was zählt da noch die Meinung der Mama? Und ratet mal, welche Hose er heute unbedingt wieder anziehen musste? Richtig!

Dienstag, 10. November 2009

Frühlings...äh Herbstgefühle

Ich muss ein Geständnis machen. Ich bin ein bißchen verliebt. In eine Frau. Jaha. So ist das. Na gut, also ich meine jetzt kein Liebesdrama-Verliebtsein sondern dieses angenehme warme Gefühl im Bauch, dass man immer hat, wenn man ganz selbstlos eine gute Tat tut oder wenn man eben einen netten Menschen trifft. So wie ich, jedes Mal wenn ich den kleinen Autofanatiker in den Kindergarten bringe. Denn da steht die gute Mrs und beschenkt uns mit dem größten und wärmsten Lächeln, das man sich vorstellen kann. "Good morning" sagt sie und man glaubt ihr, dass sie es so meint. Ja, und da habe ich dann dieses warme Kribbeln im Bauch.
Aber ich bin nicht allein. Wir alle in der Familie sind dem Mrs-Zauber verfallen.
"Ach lass nur Schatz, ich gehe schon den kleinen Autofanatiker aus dem Kindergarten abholen." höre ich den großen Autofanatiker rufen.
"Meine Lieblingsfarbe ist schwarz", erzählt mir der kleine Autofanatiker. "Die Lieblingsfarbe von der Mrs ist auch schwarz", fügt er hinzu.
Und selbst das Baby lächelt nie so charmant, wie wenn wir im Kindergarten ankommen und schreit laut, wenn wir den Kindergarten wieder verlassen.
Neulich hatte der kleine Autofanatiker neue Schuhe bekommen. Die erste Frage, die beide Eltern ihm nach dem ersten Tag im Kindergarten damit stellten, war nicht etwa "Sind sie bequem so den ganzen Tag?" Nein, die erste Frage, die wir beide unabhängig voneinander stellten war "Und wie haben der Mrs deine neuen Schuhe gefallen?" Die Antwort war übrigens "Sehr gut.".
Im nächsten September fängt der kleine Autofanatiker ja schon mit der Schule an. Ich bezweifle, dass die Lehrerinnen da auch so sind. Aber bis dahin ist ja dann das Baby zum Glück schon fast im Kindergartenalter. Nicht dass wir Entzugserscheinungen bekommen.

Dienstag, 3. November 2009

Liebe zukünftige Schwiegertochter,

heute möchte ich Dir mal einen Brief schreiben. Natürlich weiß ich nicht, ob Du jemals in unser Leben treten wirst, aber ich kann das ja mal so annehmen. Ich frage mich, wo Du gerade bist. Ob es Dich schon gibt. Vielleicht bist Du gerade erst geboren und hälst ein Mittagsschläfchen. Vielleicht gehst Du ja sogar schon in die Schule. Vielleicht lebst Du gerade auf einer Schaffarm in Australien oder in einem anderen exotischen Ort dieser Welt. Vielleicht kennen wir dich aber auch schon.
Wie dem auch sei, ich möchte Dir jedenfalls versichern, dass ich mein Bestes tue, Dir einen guten und modernen Mann zu erziehen, der in einer gleichberechtigen Partnerschaft mit seiner Frau leben möchte. Nicht immer gelingt mir dies. Neulich spielten wir mit einem Auto, in dem eine Teddyfrau und ein Teddymann saßen. Ich hatte die Teddyfrau hinters Lenkrad gesetzt. Der kleine Autofanatiker berichtigte mich und meinte "Der Teddymann gehört hinters Lenkrad, weil er der Mann ist und der muss Auto fahren." Ja, Autos solltest Du schon mögen, liebe zukünftige Schwiegertochter.
Falls Du jedoch diejenige sein wirst, die sich hauptsächlich um den Haushalt kümmert, dann kann ich Dir zumindest versichern, dass seine Standards, was gute Haushaltsführung angeht, nicht sehr hoch sein dürften. In seinem ganzen Leben habe ich noch keines seiner T-Shirts oder Hosen gebügelt. Wenn Du ihn dahingehend an etwas anderes gewöhnst, bist Du selbst daran Schuld.
Gestern hat er außerdem einen Kommentar abgegeben, der ihm die Herzen aller Frauen einmal zufliegen lassen wird. Ich kochte das Abendessen und er kam in die Küche und meinte "Mama, warum kochst du? Der Mann muss das Essen kochen." Na also, da hast Du es. Vielleicht glaubt er nicht an Frauen hinter dem Steuer, aber dass der Mann in die Küche gehört, hat er schon im Alter von 3 Jahren verinnerlicht.
Zum Dank für diese gute Erziehung wünsche ich mir ein paar Enkelkinder.
Es grüßt Dich herzlich
Deine zukünftige Schwiegermutter

Dienstag, 27. Oktober 2009

Die Mutter, die ich mal sein wollte

Heute waren wir im Supermarkt und ich ertappte mich dabei, wie ich dem kleinen Autofanatiker, der sich nicht vom Spielzeugregal wegbewegen wollte, das Ultimatum stellte: "Wenn du jetzt nicht sofort kommst, wird dir der Weihnachtsmann in diesem Jahr wohl keine Geschenke bringen." Und dann schlug ich mir erschrocken die Hand vor den Mund. War ich etwa eine von diesen Müttern geworden, die ich nie hatte werden wollen? Niemals hatte ich meinem Kind mit dem Weihnachtsmann drohen wollen. Meine Kinder sollten überhaupt auch nie an den Weihnachtsmann glauben (Tun sie auch nicht. Der kleine Autofanatiker antwortete auf die Frage, ob er denn einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann schreiben würde: "Nein, das sage ich dem Papa. Der kauft das."). Und ganz gewiss wollte ich ihnen nie damit drohen.
Nie wollte ich das machen, hatte ich mir vorgenommen, damals, als ich noch noch keine Mutter war oder gerade erst ein kleines Baby vor mir hatte. Aber dreieinhalb Jahre und zwei kleine Jungs später, muss ich mir eingestehen, von einigen der Ideale musste ich mich verabschieden.
Hier kommt eine kleine Liste der Dinge, die ich als Mutter nie machen wollte - und dann doch gemacht habe.
1. Kleinere Notlügen - niemals wollte ich meinen Kindern Lügen auftischen. Immer wollte ich ihnen alles genau erklären und sie niemals mit einer kleinen Lüge betrügen. Eigentlich stehe ich auch nach wie vor dazu, aber manchmal, ja manchmal, da rutscht einem eben so eine Lüge über die Lippen. Kürzlich zum Beispiel sortierten wir kaputte Spielautos aus. "Wo sind die denn jetzt?" fragte der kleine Autofanatiker. "'Ähm, ich habe die mal eben, ähm, weggeräumt." sagte ich, nicht ohne schamrot anzulaufen, denn schließlich wusste ich, dass ich sie in den Müll geworfen hatte in der Gewissheit, dass der kleine Autofanatiker am nächsten Tag schon nicht mehr danach fragen würde.
2. Trotzanfälle - immer wollte ich ganz ruhig bleiben, wenn denn mein Kind wirklich einmal einen Trotzanfall bekommen würde. Nie würde ich mich von dem Heulen und Schreien erpressen lassen, sondern ganz gelassen reagieren und den Anfall einfach ignorieren. Ich lasse mich zwar wirklich selten von Schreianfällen erpressen, aber ruhig bleiben? Nein, das kann ich nicht immer. Besonders wenn ich müde bin nach einer schlechten Nacht, weil beide Kinder wach gewesen sind. Dann schreie ich auch mal zurück. Stolz bin ich darauf nicht, aber besser fühle ich mich danach eigentlich schon irgendwie.
3. Töpfchen - als ich mit dem kleinen Autofanatiker schwanger war, kaufte ich mir ein Buch, in dem man mit dem Training zum Sauber werden bereits mit 15 Lebenstagen beginnen sollte. Toll, dachte ich, das mache ich. Mit allerspätestens einem Jahr braucht das Kind keine Windel mehr. Tja, den 3. Geburtstag feierten wir immer noch mit Windel, Tag und Nacht. Und als ich mir dann schon Gedanken machte, wie ich denn in der Schule dann immer die Windeln wechseln sollte, hatte sich der kleine Autofanatiker entschlossen, dass er die Windel nicht mehr brauchte und eine Woche später waren wir die Windeln los, Tag und Nacht. Da konnte ich mir noch so viel vornehmen als Mutter, am Ende musste er es selbst wollen.
4. Bestechung - niemals würde ich meine Kinder bestechen. Soll man ja auch nicht. Steht in jedem Erziehungsratgeber. Und ich würde das auch nicht müssen, schließlich würde ich mit meinen Kindern argumentieren. Aber was soll man machen, wenn man zum Beispiel ein Photo für die Weihnachtskarte machen möchte und das Kind möchte einfach nicht mitmachen? Schokolade kann da wahre Wunder wirken. Ja, knallharte Bestechung, ich gebe es zu. Und wenn der kleine Autofanatiker in Zukunft für alles eine Gegenleistung erwartet, dann muss ich mich vielleicht nicht wundern. Aber bis jetzt scheint er gelegentliche Bestechungsversuche schadlos überstanden zu haben.
5. Schokolade, Fernsehen und andere Genussmittel (aus der Süßwarenabteilung und nicht etwa dem Spirituosenregal!) - Schokolade sollte er erst mit 18 kennenlernen, Gummibärchen ebenso und Fernsehen erst recht. Das erste Weihnachtsfest hatten wir gut überstanden, aber dann mit 11 Monaten, zum ersten Ostern, gab es ein Stück Schokolade und von da an ging es eigentlich nur noch bergabwärts. Goldbärchen, Kinderschokolade, Kekse mit Schokoladenguss, alles war dabei. Beim Baby kam der Fall, ich war nun entsprechend ernüchtert, sogar noch eher. Beim Fernsehkonsum nicht viel anders. Niemals wollte ich meinen Kindern die Flimmerkiste erlauben und wenn schon, dann ganz sicher nur ein Programm, dass wir gemeinsam anschauen würden. Aber wenn man einen langen Tag mit zwei kleinen Kindern hinter sich hat, das Baby quengelt, das Kleinkind herumtobt und das Abendessen gekocht werden muss, dann sieht man manches anders und CBBies, der Kleinkindkanal des BBC, eine plötzlich verlockende Lösung.
Sicher gibt es noch mehr ehemalige Erziehungsideale, die ich im Moment vergessen habe oder von denen ich mich in der Zukunft noch verabschieden muss. Bin ich deshalb eine schlechte Mutter? Ich denke nicht. Von den ganz großen Idealen, wie z.B. meine Kinder liebevoll aufzuziehen und ihnen die Wertvorstellungen, die mir wichtig sind, vorzuleben, habe ich mich nicht verabschieden müssen. Ich bin einfach nur in der Realität angekommen. Und in dieser geht es eben nicht immer so ideal zu, wie man sich das vorher ausmalt.

Dienstag, 20. Oktober 2009

Geburtstagsfeiern gestern und heute

Vor ein paar Wochen brachte der kleine Autofanatiker zwei Einladungen zu Geburtstagsfeiern aus dem Kindergarten mit nach Hause. Ich hatte zwar keine Ahnung, wer die Kinder waren, aber schließlich waren die Einladungen ja auch nicht für mich. Die eine Feier begann um 13.10 Uhr. Als ich das las, dachte ich mir schon, dass sie anders werden würden, als die Geburtstagsfeiern meiner Kindheit.


Damals, vor vielen Jahren, als ich noch ein Kind war, lief eine Geburtstagsfeier bei uns so ab: man durfte seine besten Freundinnen einladen (in meinem Fall waren das in einem Jahr auch mal 10 Kinder; was das für meine Eltern in unserem kleinen Wohnzimmer hieß, weiß ich eigentlich erst jetzt zu würdigen), auf der Einladung bat man darum "Hausschuhe und gute Laune" mitzubringen, aber selbstverständlich brachten alle auch noch ein Geschenk mit. Mutter stand in der Küche und sorgte für die Verköstigung der kleinen Gäste, Vater spielte mit den Kindern ein paar Spiele. Nach ein paar Stunden gingen alle wieder nach Hause.


Doch das war damals. Heute ist heute. Und heute ist so manches anders. Am vergangenen Wochenende war es dann so weit. Pünktlich um 13.10 erschienen wir am angegeben Treffpunkt, einem Hallenspielplatz, den die Familie des Geburtstagskindes gemietet hatte. Für die Geburtstagsgeschenke stand ein großer Wagen bereit, in dem alle Geschenke gesammelt wurden und die auch nicht während der Feier ausgepackt wurden. Danach durften die Kinder (es waren insgesamt 20 an der Zahl) bis genau 14 Uhr durch die Halle toben. Die Mütter unterhielten sich in der Zwischenzeit.


"Und was habt ihr für den nächsten Geburtstag geplant?" fragte ich eine Mutter.

"Ach, weißt du, ich dachte, wir buchen vielleicht den Alleinunterhalter, der am letzten Tag im Kindergarten war. Aber was mache ich, wenn der letzte Minute absagt?" antwortete sie mit leichter Panik in den Augen.


Um 14 Uhr wurde die gesamte Gesellschaft in ein Nachbarzimmer geführt, wo eine lange Tafel mit Kinderstühlen vorbereitet war und auf jedem Platz stand eine kleine Papiertasche mit Chips, Safttüte und Schokolade und dann gab es noch Sandwiches und Obst für alle. Alle Kinder stürzten sich begierig darauf. Die Mütter unterhielten sich in der Zwischenzeit. Dann wurde noch Happy Birthday gesungen und die Kerzen auf der Geburtstagstorte ausgeblasen, von der die Mütter dann auch ein Stück bekamen.


Pünktlich um 14.45 Uhr war die Feier beendet und alle durften wieder nach Hause gehen. Zum Abschied gab es für alle Kinder noch ein kleines Geschenk (in diesem Fall eine Tiermaske und Seifenblasen).


Die zweite Feier verlief recht ähnlich.

Bei mir sind nach diesen zwei Feiern vor allem zwei Fragen offen geblieben:

1. Verlaufen deutsche Kindergeburtstage heute auch so gut organisiert und mit Geschenk für die Gäste?

Und 2. Heißt das nun, wir müssen das zum nächsten Geburtstag vom kleinen Autofanatiker auch so machen??? Offensichtlich habe ich zum letzten Geburtstag alles falsch gemacht. Wahrscheinlich erzählt man sich jetzt noch von diesem Geburtstag, wo es am Ende keine Geschenke für die Kinder gab. Allerdings waren da keine Kinder aus dem Kindergarten eingeladen sondern nur Freunde von uns allen, also ging das vielleicht gerade noch. Aber beim nächsten Mal? Müssen wir dann auch alle Kinder aus dem Kindergarten einladen? Etwa auch das Kind der Oberhyänin??? Oder nur die, die uns auch eingeladen haben? Naja, zum Glück sind es ja noch ein paar Monate.

Mit der Idee jedoch, die Kinder nicht im eigenen Haus zu haben, sondern jemanden für Verköstigung und Bespaßung zu bezahlen, kann ich mich sehr gut anfreunden. Jetzt muss ich nur noch den großen Autofanatiker davon überzeugen. Naja, auch dafür sind es noch ein paar Monate Zeit.

Dienstag, 6. Oktober 2009

Meine Selbsthilfegruppe

Nachdem ich in den letzten Posts mehrmals über die Hyänen des Kindergartens berichtet habe, ist es endlich an der Zeit, dass ich auch einmal etwas über meine Selbsthilfegruppe berichte, denn nicht alle Mütter, denen ich hier begegne, erinnern an verschlagene Bewohner der afrikanischen Savanne.
Meine Selbsthilfegruppe heißt nicht wirklich Selbsthilfegruppe, wurde jedoch von meiner Tante so getauft und irgendwie ist der Begriff ja auch ganz zutreffend. Doch was ist denn nun diese Selbsthilfegruppe, höre ich den ungeduldigen Leser fragen? Dazu muss ich kurz etwas weiter ausholen: bekanntermaßen lässt das britische Gesundheitswesen in manchen Dingen zu wünschen übrig. Das gilt auch für die Betreuung Schwangerer und Mütter mit Neugeborenen. Um dies zum Teil aufzufangen, gibt es jedoch etwas Tolles hier: den sogenannten National Childbirth Trust (NCT), eine der vielen Hilfsorganisationen, die es in Großbritannien gibt. So gibt es eine ganze Palette von Angeboten für werdende und frischgebackene Eltern, von Stillberatung und Geburtsvorbereitung über die Organisation von Verkaufstagen für Second-Hand-Kindersachen bis hin zur Unterstützung von wissenschaftlichen Untersuchungen und familienbezogenen Kampagnen.
Aber für mich das allerbeste daran sind die sogenannten coffee mornings. Überall in Großbritannien wird das natürlich etwas anders gehandhabt und ganz sicher gibt es nicht überall Gruppen, wo ich gern dabei wäre. Hier jedoch, wo wir wohnen, hatte ich das große Glück durch den NCT auf eine sehr nette Gruppe zu stoßen mit Kindern verschiedenen Alters und Müttern, die vielleicht Löwenmütter sein mögen aber nur in Ausnahmefällen unschuldige Lämmer reißen.
Und was machen wir nun in unserer Selbsthilfegruppe? Um ehrlich zu sein, nicht viel. Auch wenn ich Woche um Woche wieder dem großen Autofanatiker erzähle, dass ich zu einem hochwichtigen Treffen gehe. Wir treffen uns reihum immer bei einer Mutter daheim und trinken dann zusammen Kaffee oder Tee während die Kinder das Haus der Gastgeberin auf den Kopf stellen. Die Gespräche drehen sich natürlich meist um Kinder und da einige der Mütter auch schon etwas ältere Kinder haben, haben sich diese Kaffeetreffen als Fundgrube für alle möglichen Informationen für mich erwiesen, gerade auch was das Schulsystem und solche Dinge betrifft, denn für mich ist das ja alles fremd. Und außerdem sind die meisten der anderen Mütter auch einfach richtig nett.
So, jetzt muss ich aber Schluss machen. Ich muss noch das gute Porzellan wegräumen, morgen treffen wir uns nämlich hier bei uns.

Dienstag, 29. September 2009

Loblied auf den Herbst

Man braucht wieder eine Jacke, wenn man das Haus verlässt. Regen und Sonnenschein wechseln sich ab. Nein, ich meine nicht einen ganz normalen Sommertag in England. Es wird Herbst. Die Blätter rascheln auf den Wegen, der Himmel ist tiefblau, wenn die Sonne scheint und an manchen Regentagen wird es gar nicht mehr richtig hell.
Mancher bedauert nun, dass die warmen Sommermonate vorbei sind, aber auch der Herbst hat schöne Seiten. Hier kommt meine persönliche, kleine Liste von angenehmen Sachen, die uns der Herbst bringt:
1. Endlich scheint nicht schon ab früh um 5 Uhr die Sonne ins Zimmer und weckt kleine Kinder, die nun von Dunkelheit umgeben auch etwas länger im Bett bleiben.
2. Spielplätze sind zweifellos eine sehr schöne Erfindung. Aber nachdem ich die letzten Monaten fast täglich wenigstens ein paar Minuten auf dem einen oder anderen Spielplatz verbracht habe, benötige ich dringend eine Pause. Und wenn man das Wetter so richtig schön schlecht ist, hat man einen perfekten Entschuldigungsgrund, nicht auf den Spielplatz gehen zu müssen. Spielplatz, wir sehen uns im Frühling wieder!
3. Manch einer mag mir da widersprechen, aber ich schwitze nicht gern. Wahrscheinlich habe ich mich schon so sehr an das englische Leben gewöhnt, denn bei Temperaturen über 20 Grad fange ich an zu stöhnen "Es ist zu warm". Ab 25 Grad bin ich praktisch lebensunfähig. Nun kann ich wieder aus dem Haus gehen ohne das Bedürfnis, alle Sachen sofort von mir zu werfen.
4. Vor ein paar Wochen kaufte ich mir einen neuen Pullover. Sehr hübsch. Täglich lauerte ich darauf, ihn endlich anzuziehen, aber es war immer zu warm. Auch die Kinder haben eine neue Herbstgarderobe, denn die Sommersachen werden langsam zu klein. Endlich können wir uns der Öffentlichkeit im neuen Staat präsentieren.
5. Unser Spielzimmer sieht ganz schön verrumpelt aus. Die Spielsachen liegen wüst durcheinander im Regal, ein paar Autos müssten mal in die Werkstatt da Reifen, Kotflügel und ähnliches fehlen. Aber bei schönem Sommerwetter darf man ja nicht einfach so im Haus sein, denn schließlich muss man das schöne Wetter nutzen. Jetzt freue ich mich eigentlich darauf, mit gutem Gewissen drinnen zu bleiben und mal die ganzen Sachen zu machen, die in den letzten Monaten warten mussten.
6. Herbst- und Wintersachen sind ja überall lang. An den Armen und an den Beinen. Die unschöneren Körperteile, die im Sommer unweigerlich zur Schau gestellt wurden, lassen sich wieder gut verstecken. Und dann kann man sich natürlich auch ein hübsches Winterfell zulegen und muss nicht jedes Mal, wenn man einen Rock trägt, noch mal an den Beinen nachzupfen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen schönen Herbst.

Dienstag, 15. September 2009

Wo Blicke noch töten können... naja oder fast

Morgen fahren wir nach Deutschland. Vorher muss ich noch so einiges erledigen von Packen über Putzen bis hin zur Nahrungsvertilgung (ja, auch Schokolade kann in zwei Wochen schlecht werden, da will ich lieber kein Risiko eingehen).
Deshalb habe ich nicht viel Zeit für eine längere Geschichte, aber möchte doch gern eine kleine Anekdote mit euch teilen, die ich diese Woche erlebte. Ich berichtete ja bereits an anderer Stelle von den hochgezogenen Augenbrauen und stechenende Blicken, die Engländer so wunderbar beherrschen. Bevor sich ein Engländer in Worten beschwert, dauert es gewöhnlicherweise eine Weile. Wenn sich etwa jemand in einer Schlange vordrängeln will, wird der Delinquent zunächst mit Blicken gestraft. Eine Art der Kommunikation, die Ausländern natürlich zunächst einmal fremd ist und häufig an denselben abprallt vom eigenen Durchbohrblick ganz zu schweigen. Diese Woche jedoch konnte ich unter Beweis stellen, dass ich schon eine Weile hier wohne und mich an landestypische Gewohnheiten angepasst habe.
In den Supermärkten gibt es hier überall Parkplätze für Eltern und Kleinkinder, die allerdings auch trotz großer Verbotsschilder von Autofahrern ohne Kinder zu meinem Ärger (und dem anderer Eltern, die sich mit mehrern kleinen Kindern und vollen Taschen abmühen) genutzt werden. Wir hatten gerade auf einem solchen Parkplatz geparkt, als neben mir ein Auto einbog, das ganz eindeutig kein Kind im Auto hatte. Da tat ich etwas, was sonst wahrscheinlich in keinem anderen Land eine Wirkung gezeigt hätte: ich bestrafte den Autofahrer mit einem intensiven und bösen Blick. Dieser legte den Rückwärtsgang ein und parkte ganz ordentlich und zahm in einer normalen Parklücke. Ich konnte es nicht fassen. Ich stand kurz davor in die Luft zu springen, vor Siegesfreude zu juchzen und dabei meine Faust zu schütteln. Aber ich bin, ich bemerkte es bereits, assimiliert. Und so lächelte ich nur ein bißchen vornehm vor mich hin.

Dienstag, 8. September 2009

Die Hyänen sind wieder da

Gestern war der erste Tag im Kindergarten nach den Sommerferien. Fröhlich machten wir uns auf den Weg. Der kleine Autofanatiker war fröhlich, weil er wieder in den Kindergarten durfte. Ich war fröhlich, weil ich mal wieder ein paar Stunden mit dem Baby allein hatte und weil der kleine Autofanatiker fröhlich war, denn nach so einer langen Pause, hätte ich schon fast ein paar Tränen erwartet. Dass er so freudestrahlend wieder in den Kindergarten lief, fand ich auch eigentlich fast gar nicht beleidigend.
Meine Fröhlichkeit erhielt den ersten Dämpfer als ich vor dem Kindergarten als erstes the bitch sah. Sie war in ein Gespräch mit zwei anderen Müttern vertieft. Beim Näherkommen bemerkte ich, dass eines der Kinder eine Karte an sich hatte. Eine Karte????? Und ein anderes Kind hatte lauter kleine Muffins in einem Korb in der Hand. Selbstgebacken selbstverständlich. Ich gab meinem Drang, schreiend wegzulaufen, nicht nach und konnte daher nicht umhin, das Gespräch mitanzuhören. Dabei stellte sich heraus, dass die dritte Mutter, deren Kind weder Karte noch Muffins hatte, die Mrs Kindergärtnerin in den Ferien zu einer Show mit Jonathan Ross (ungefähr der englischen Entsprechung von Harald Schmidt) eingeladen hatte! Wie bitte??
Die daraufhin ertönenden "WürgÄtz"-Geräusche aus meiner Richtung wurden von der kleinen Gruppe ignoriert. Überhaupt ist die Hyäninnen-Gruppe sehr gut im gezielten Ignorieren. Mir ist nur noch nicht ganz klar, ob das ein allgemeines Ignorieren niederer Menschen ist oder ob sie mich speziell ignorieren. Oder aber vielleicht haben sie ja etwas gegen meine Nationalität. Schließlich ging es hier erst diese Woche durch die gesamte Presse, dass der Immigranten-Babyboom den britischen Steuerzahler 1 Milliarde Pfund kostet. Mit zwei nur halb-britischen Kindern bin ich daran selbstverständlich nicht ganz unschuldig. Ob ich mich bei ihnen entschuldigen sollte? Stellvertretend für alle Immigranteneltern an alle Briten?
Vielleicht beim nächsten Mal. Heute waren nämlich erst mal wieder die Väter in der Kindergartenschlange. Wie wohltuend direkt und sachlich.

Dienstag, 1. September 2009

Sommerfeiertag

Gestern war hier ein Feiertag. Der sogenannte summer bank holiday. Nun mag sich der eine oder andere fragen, was gab es zu feiern. Schließlich hat in Deutschland jeder arbeitsfreie Tag fürs ganze Volk einen spezifischen Grund. Ob es nun ein wichtiger Tag für das Christentum oder für den Staat ist, so ganz einfach ohne Anlass wird nicht gefeiert. Anders in England. Bis heute habe ich nicht genau verstanden, warum es einen Sommerfeiertag (und im Mai einen Frühlingsfeiertag) gibt. Laut Wikipedia gibt es den Feiertag bereits seit 1871 und wurde von einem gewissen Sir John Lubbock eingeführt. Zum Warum schweigt das Online-Lexikon jedoch. Aber nun gut, wie heißt es doch in dem Sprichwort so schön: Einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul. Ein langes Wochenende ist ein langes Wochenende und das soll man doch genießen, warum auch immer es länger ist als andere Wochenenden.
Das Wetter war ein typisches bank holiday Wetter: es gab einen Mix aus Sonne und Regen und das Thermometer bewegte sich kaum über die 20 Grad Marke. Am Samstag waren wir zu einer Gartenparty eingeladen. Damit meine ich keinen Grillabend bei Freunden sondern eine Gartenparty in einem englischen Herrenhaus mit Jazzband, Champagner und anderen hübschen Dingen. Eine längere Diskussion ergab sich daheim darüber, was man denn tragen solle zu einer Gartenparty. Der große Autofanatiker war für Shorts und Sommerkleid (Begründung: "Die Sonne scheint doch!"). Ich war für lange Hosen und dicke Jacke (Begründung: "Die Sonne scheint auch im Winter."). Am Ende trug jeder was er für angemessen hielt und die Kinder und ich hatten eine tolle Zeit beim Trommel-Workshop, im Kleintierstreichelzoo und bei Kuchen und Eis während der große Autofanatiker, der nur aus beruflichen Gründen zur Gartenparty gekommen war, Gespräche über Computer führen musste. Tja, das Leben ist nicht fair.
Am Sonntag hatten wir Freunde zum Grillen eingeladen. Es regnete, wir grillten. Wer lässt sich schon von einem Regenschauer stören? Sicher kein Engländer.
Der bank holiday Montag wird von Engländern traditionellerweise in einem Heimwerkermarkt verbracht. So ziemlich alle Engländer, die ich kenne, sind kleine Heimwerkerkönige. Dabei geht es nicht darum, wie geschickt oder gut die Kunst des Heimwerkens beherrscht wird. Ich vermute, ein großer Teil der Freude ist der Besuch des Heimwerkermarktes. Ich erinnere mich noch deutlich an das Leuchten in den Augen des großen Autofanatikers, als wir zum Frühlingsfeiertag im Mai den größten Baumarkt Europas besuchten. Ein Kind zu Weihnachten hätte sich nicht mehr freuen können. Leider wollten auch viele andere Leute eine Weihnachtsfreude im Frühling haben, weshalb ich zum Sommerfeiertag einen weiteren Besuch ablehnte.
Und das war unser bank holiday Wochenende. Jetzt müssen wir bis zu Weihnachten auf den nächsten Feiertag warten. Aber das dauert ja auch nicht mehr lange (siehe mein letzter Post).

Dienstag, 25. August 2009

Alle Jahre wieder...

Wer beim Lesen des Titels sofort angefangen hat, im Kopf (oder auch laut) ein Adventslied zu singen, der ist schon beim richtigen Thema dieses Posts angekommen. Doch "Halt" höre ich jemanden rufen, es ist doch erst August. Draußen scheint die Sonne obwohl es bereits Abend ist, am Tag schwitzen wir, wenn wir uns im Freien bewegen und man ist sich seinen Nachbarn sehr nahe, weil die Fenster ständig offen sind. Was soll denn da das Gerede von Weihnachten? Nun, geneigte Leserinnen und Leser, ich stimme dem völlig zu. Ich bin schließlich nur ein naiver Konsument, der nichts von Betriebswirtschaftslehre versteht, denn auch wenn mir das noch nicht so klar war: wir befinden uns bereits im Weihnachtsgeschäft. Die erste Weihnachtsecke bei Selfridges, einem der großen Warenhäuser in London, wurde bereits gesichtet. Im August. Bei 30 Grad im Schatten. Mir tun ja die Verkäuferinnen in der Weihnachtsabteilung leid, die für fünf Monate "Jingle Bells" hören müssen.
Wie soll ich denn da meinen Kindern beibringen, dass man auch mal auf etwas Warten muss? Wenn es diesen Drang gibt, dass immer alles eher beginnen muss. Kann denn niemand mehr etwas erwarten?
In der Mütter- und Kleinkindszene ist das ja schon schlimm genug. Am Wochenende las ich gerade einen Artikel über Kurse für Naturwissenschaften, afrikanisches Trommeln und Weltpolitik für Zweijährige! Immerhin ging es darin um New York. Aber die Ostküste Amerikas und die Westküste Europas scheinen bei Trends ja oft sehr nahe beieinander zu liegen.
Und überhaupt in England. Da schickt man die Kinder bereits mit 4 in die Ganztagsschule. Nützen tut es nichts. Die englischen Kinder sind keineswegs klüger als andere kleine Europäer, die erst mit 6 oder 7 die Schule beginnen. Aber das Schulalter hier ist eines meiner großen Reizthemen, da möchte ich jetzt gar nicht erst damit beginnen. Da hole ich mir lieber eine Kerze und ein Räucherkerzchen aus meiner Weihnachtskiste und fange schon mal an, mich aufs Weihnachtsfest vorzubereiten.

Dienstag, 18. August 2009

Glotze glotzen oder lieber doch nicht?

In letzter Zeit war es etwas ruhig auf meinem Blog. Das lag zum einen daran, dass wir in Deutschland zum Sommerurlaub waren. Das lag aber auch daran, dass ich vor unserer Abreise ein paar Tage krank war. Am ersten Tag ging es mir richtig schlecht und ich wollte nur schlafen. Also wurden die Kinder samt großem Autofanatiker zu den englischen Großeltern verschickt und ich konnte mich daheim mal so richtig ausruhen. Am zweiten Tag ging es mir auch schon ein bißchen besser. Nicht gut genug um das Bett zu verlassen aber gut genug um den Tag vor dem Fernseher zu verbringen.
Ich weiß nicht, ob es ein Land gibt, in dem das Tagesfernsehprogramm von besonders hoher Qualität ist. Ich bezweifle das ja. Verbürgen kann ich mich jedoch dafür, dass Großbritannien auf jeden Fall nicht zu einem solchen Land gehört.
Der große Autofanatiker liebt natürlich nicht nur Autos sondern alles was mit Technik und solchen Dingen zu tun hat. Der Fernseher ist entsprechend groß und die Programmauswahl ausreichend. Sollte man meinen. Nachdem ich jedoch die gut 200 Programme alle einzeln durchsucht hatte, konnte ich wirklich nichts finden, was ich gern gesehen hätte.
Am Ende entschied ich mich für eine Hauskaufsendung. Die Engländer scheinen diese Art Sendung zu lieben, denn es gibt sie zuhauf. Entweder geht es darum, dass ein Makler ein Haus für ein bestimmtes Budget finden soll, gern auch im europäischen Ausland (wobei sich das auf Spanien und Frankreich beschränkt) oder dass ein Haus verkauft werden soll und die Moderatoren der Sendung dann den Hauseigentümern beim Umbau für möglichst gewinnbringenden Verkauf helfen sollen. In meinem Fall sah ich ein Programm, in dem ein Paar ein Haus kaufen wollte und sich nicht entscheiden konnte, ob es sich eines im guten alten England kaufen sollte (vielleicht ein Cottage oder doch vielleicht lieber ein etwas größeres Häuschen im Grünen oder lieber eine Stadtwohnung) oder im spanischen Ausland (vielleicht eine kleine Finca oder mitten in der Stadt oder ein Bungalow etwas weiter draußen dafür mit Blick aufs Meer). In dem einen waren die Schlafzimmer zu klein, im anderen gab es keinen Kamin, das Dritte war wiederum zu weit ab vom Leben. Noch jemand da? Hallo? KLingt langweilig? Nun, ich enthalte mich eines Kommentars.
Und dann erst die Werbung. Was soll man da nicht alles retten. Von einem Esel über Pandabären bis hin zu Vögelchen war im Tierbereich eigentlich alles vertreten und wenn man denn spendewillig ist und vielleicht nicht weiß, wie man das denn bezahlen soll, dann helfen sicher die Werbesendungen zum Themenkreis Kredit aufnehmen/ Geld leihen.
Es war nicht gerade gesundheitsförderlich und nach einer Stunde hatte ich genug und vertiefte mich stattdessen in ein Buch, so dass es mir am nächsten Tag auch gut genug ging, um nach Deutschland zu fliegen.

Dienstag, 28. Juli 2009

Mein Haus, mein Auto, meine Legobahn

Im Moment sind ja, ich erwähnte es bereits, Schulferien. Das heisst alle Kinder des Landes haben frei und wollen beschäftigt werden (eine Staffelung der Schulferien wie in Deutschland in den verschiedenen Bundesländern, kennt man hier nicht). Und so kommt es denn auf Spielplätzen, Kinderfarmen, Vergnügungsparks, Schwimmbädern, Zoos und anderen Orten, an denen sich Kinder bevorzugt aufhalten, zu Kinderstauungen.

Heute zum Beispiel waren wir in einem eigentlich sehr schönem Naturschutzzentrum mit einem kleinen See, Tieren, hübschen Pflanzen. Eigentlich alles sehr beschaulich. Der Lärm auf dem Spielplatz jedoch war ohrenbetäubend. Gerangel, Gedrängel, Geschreie. Die drei großen Gs bei denen ich am liebsten die Flucht ergreife. Aber der kleine Autofanatiker wollte eben auch einmal die Rutsche herunterrutschen ("Biiiiiitte Mama") und was tut man nicht alles aus Mutterliebe. Wenn er denn schon mal will, denn normalerweise muss man ihn erst ein bißchen anschieben, dass er überhaupt mal auf den Spielplatz will. Also stürzte sich der kleine Autofanatiker mutig ins Kindergewimmel. Das Baby und ich ihm hinterher, denn ich wollte ihn auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Schließlich war ich heute morgen Zeuge des folgenden Gesprächs zwischen großem und kleinem Autofanatiker geworden:

GA: Wo wohnst du denn?
KA: In meinem Haus.
GA: Ja, aber was ist denn das für eine Straße?
KA: Wo Mama und Papa und Baby wohnen.
GA: Aber die hat doch einen Namen die Straße?
KA (nun leicht verunsichert): Mein Haus?

Das arme Kind würde nicht mehr nach Hause finden, wenn ich ihn verlöre, oder wie sollte man mit der Beschreibung "Mein Haus" herausbekommen, wo er wohnen würde!

Überhaupt ist alles "Meins" in letzter Zeit. MEIN Bett (und das sind seiner Meinung nach alle Betten im Haus), MEIN Auto, MEIN Spielzeug, MEINE Mama. Nun frage ich mich, ist dies eine normale kindliche Phase, die irgendwann wieder vorbeigeht?

Oder ist es etwa eine Antwort auf das Aufwachsen zwischen zwei Kulturen? Wenn Engländer mit mir über Deutschland sprechen, fragen sie mich ganz folgerichtig "Wie ist es denn das bei euch?" und meinen damit Deutschland, denn schließlich bin ich eine Deutsche. Je länger ich in England lebe, umso weniger weiß ich jedoch "Wie das in Deutschland ist". Wenn ich nun in Deutschland bin, fragen mich Leute manchmal, wie ist denn das "bei euch in England", weil ich in England wohne. Und obwohl für mich England nicht "bei uns" ist, weiß ich die Antwort zu den Fragen, weil ich schon eine Weile hier wohne. Und vielleicht geht es mir irgendwann wie jenen Ex-Pats, die so lange im Ausland leben, dass sie dann nirgendwo mehr richtig zu Hause sind. In ihrem Heimatland sind sie Fremde geworden und in ihrem Gastland werden sie immer Fremde bleiben. Und wenn ich das schon verwirrend finde, vielleicht empfinden das meine Kinder ja dann auch so und des kleinen Autofanatikers Antwort darauf ist, dass alles "MEINS" ist.

Oder aber vielleicht ist es auch nur ein bereits testesterongesteuerter Kommentar der Sorte "Mein Porsche, meine Yacht, mein Supermodel."

Dienstag, 21. Juli 2009

Vom Ö,Ä, und Ü

Bekanntermaßen gibt es im Englischen keine Umlaute, weshalb es natürlich auch auf der Tastatur kein ÜÖÄ oder ß gibt. Jetzt hat mir ein netter Mensch verraten (Danke liebe Frau Mutter, ob es dafür wohl auch eine Dankeskarte gibt? Muss ich mal gucken!), dass man das Keyboard umstellen kann. Das habe ich gemacht und freue mich, diesen Blog nun mit üs, äs und ös anbieten zu können (das heißt, falls ich nicht vorher wahnsinnig werde, denn ich bin englische Tastaturen mittlerweile so gewöhnt, dass jedes Mal wenn ich z.B. ein z möchte, ein y erscheint, denn die Buchstaben sind vertauscht etc).

Ja 'ne Bahnfahrt die ist lustig

Vorige Woche waren wir für zwei Tage und zwei Nächte in Bath. Bath ist, wer sich in britischer Geografie nicht so auskennt, eine hübsche kleine Stadt im Nordwesten Englands. Charmant und beschaulich kommt Bath daher und ist irgendwie so ganz typisch englisch. Also typisch im Sinne von "good old England", was die Überschwemmung mit amerikanischen Touristen erklären dürfte. Man kann sich vorstellen, dass sich seit den Zeiten als sich Jane Austen in den Wandelhallen der römischen Bäder erging und ihre Heroinen erdachte, nicht viel geändert hat (mal abgesehen von den amerikanischen Touristen).

Unsere Reisegesellschaft bestand aus dem kleinen Autofanatiker, dem Baby, meiner Mutter, meiner Schwester, meiner Nichte (2) und mir natürlich. Drei Erwachsene und drei Kinder sind zuviel für ein Auto und daher fuhren wir mit dem Zug getreu dem Motto "Eine Bahnfahrt die ist lustig, eine Bahnfahrt die ist schön, ja da kann man was erleben...". Manchmal vermisse ich die Tage, wo ich mich einfach in den Zug setzen konnte und mich um nicht viel kümmern musste. Jetzt verlangt schon das Packen des Koffers mehrere Tage Planung und so füllte sich der Rucksack, der einst meine gesamte Habe für einen siebenmonatigen Trip beherbergte, für unsere zweitätige Reise bis oben hin.

Meine Mutter und Schwester, die extra aus Deutschland angereist waren, hatten jeweils ebenfalls einen großen Koffer und so machten wir uns auf mit drei kleinen Kindern, drei großen Taschen, drei kleinen Taschen und zwei Buggys. Eine Prozession. Fast hätte ich erwartet, dass Leute am Straßenrand stehenbleiben und uns zuwinken.

Nachdem bereits die Fahrkartenbeschaffung eine kleinere Odyssee gewesen war, die mehrere Stunden im Internet, das Anfahren von drei (ich wiederhole:DREI) verschiedenen Bahnhöfen und einem Anruf beim Kundendienst (irgendwo in Indien, Beherrschung der englischen Sprache eher weniger...) beinhaltete, schwante mir schon, dass die Fahrt selbst ein Erlebnis sein würde. Doch hier täuschte ich mich. Wir verpassten keinen Zug, alle fuhren pünktlich ab und kamen pünktlich an. Nun gut, einmal hatten wir einen Schreckmoment, als nämlich auf einem Bahnsteig unser Zielort plötzlich nicht mehr mitangezeigt wurde, drei Minuten vor Abfahrt. Die Bahnhofsangestellte auf dem Gleis, die wir (und einige andere Reisende) daraufhin leicht panisch befragten, wusste keine Auskunft aber alles wendete sich eine Minute vor Abfahrt noch zum Guten als sich herausstellte, dass der Zug in drei verschiedene Richtungen fahren würde und unser Zielort sehr wohl angefahren werden würde (so wir uns im richtigen Teil des Zuges befänden, was wir taten).

Und dann wäre da noch die Sache mit den Platzkarten. Man muss dazu sagen, dass wir die Platzkarten persönlich an einem Schalter kauften. Also wir alle, ich erinnere noch mal: drei Erwachsene und drei Kidner, drei ziemlich kleine Kinder um genau zu sein. Wie groß war also unser Erstaunen (und das der anderen Mitreisenden), als wir im recht vollen Zug feststellten, dass man uns Sitze im Ruhewagen zugeteilt hatte. Die Kinder waren erstaunlich lieb und man hätte fast geglaubt, sie könnten die grossen Schilder "Bitte hier ruhig sein, dies ist der Ruhewagen", die überall angebracht waren, selbst lesen. Aber auch liebe Kinder sind Kinder und obwohl niemand etwas zu uns sagte (dies ist England bitteschön, da geht es höflich zu), konnte ich die gerunzelten Stirnen und hochgezogenen Augenbrauen erahnen und ich lebe schon lange genug in England um die Macht der hochgezogenen Augenbraue zu spüren. Entsprechend gestresst fühlte ich mich und am Liebsten hätte ich ein Schild hochgehalten mit der Aufschrift "Ich weiss! Man hat uns die Platzkarten hier verkauft!"

Aber irgendwann war auch diese Zugfahrt zu Ende und Bath entschädigte für vieles und erinnerte mich auch mal wieder daran, warum es mich auf die Insel gezogen hatte und ich immer noch hier bin. Und damit meine ich nicht die Suche nach Mr Darcy aber schon so ein bißchen dieses Ideal von Jane Austens England, von Scones und cucumber sandwiches, von malerischen Cottages und von freundlichen Schaffnern und anderen Angestellten.

Donnerstag, 16. Juli 2009

Danke Frau Kindergartenlehrerin

Wenn man in Deutschland eine Karte, sagen wir, zum Geburtstag kaufen moechte, dann geht man in einen Schreibwarenladen oder einen Buchladen und findet dann da einen Stand mit ungefaehr zehn Karten. Dann kann man sich aussuchen, ob man die Karte mit dem lustigen Spruch oder die mit dem Blumenphoto kaufen moechte. Fuer Menschen, die so schwer Entscheidungen treffen koennen wie ich, eine schoene Sache.
In England gibt es selbst in den kleinsten Einkaufsstrassen und -zentren noch einen Laden, in dem es nichts anderes gibt als Karten. Ich will gar nicht erst versuchen die Stunden zu zaehlen, die ich bereits vor Reihen voller Karten stand, weil ich mich nicht entscheiden konnte.
Die Englaender, so scheint es, schreiben sehr gern Karten und man kann sie fuer alle moeglichen Anlaesse kaufen. Vorige Woche entdeckte ich im Supermarkt jedoch einen mir bis dahin unbekannten Markt fuer Karten. Ein ganzer Stand war da voll mit Karten auf denen stand "Thank you teacher". Ich weiss nicht, ob das in Deutschland mittlerweile auch ueblich ist. Ich kann mich nicht erinnern, einem Lehrer jemals eine Dankeskarte geschrieben zu haben.
Nun geht der kleine Autofanatiker bekannterweise in den Kindergarten. Der Kindergarten, muss ich dazu sagen, ist eher so etwas wie eine Vorschule. Er ist naemlich taeglich nur von 9 bis 12 Uhr geoeffnet und hat Schulferien, wie jede andere Schule auch. Vorigen Freitag war der letzte Vorschultag vor den grossen Sommerferien.
Nachdem ich nun die Dankeskarten gesehen hatte und ich die Kartenschenkleidenschaft in meinem Gastland kannte, schwante mir schon, dass vielleicht auch im Kindergarten schon Karten ueblich sein koennten. Aber nun wollte ich natuerlich nicht als Einzige mit einer Karte auftauchen aber schliesslich auch nicht die Einzige ohne sein. Also fragte ich in der Schlange nach. Die eine Mutter, vielleicht nenne ich sie ab jetzt the bitch, meinte auf Anfrage ob das denn ueblich sei:
"Also das haengt wirklich gaaanz allein von dir ab."
"Naja, aber wie ueblich ist das denn?"
"Na, das haengt wirklich gaaaaaaaanz allein von dir ab."
Ah ja, daaaaanke fuer die nette Hilfe. Eine andere Mutter erbarmte sich jedoch meiner und versicherte mir, dass die meisten schon was mitbringen wuerden.
Auf diese Weise waren wir bestens geruestet fuer den letzten Tag. Wir hatten eine huebsche kleine Karte fuer alle Mitarbeiterinnern gekauft und der kleine Autofanatiker hatte noch ein paar Kuesschen draufgemalt. Der letzte Tag konnte kommen, wir wuerden nicht aus dem Rahmen fallen. Dachte ich. Bis ich die Praesentkoerbe, Weinflaschen und Kuchen bei den anderen Eltern sah. Und einzelne Karten fuer alle Mitarbeiterinnen. Da frage ich mich, was gibt es dann erst in den richtigen Schulen fuer die Lehrer? Diamanten und Autos?
Aber wartet, zu Weihnachten werden wir mit selbstgebackenen Lebkuchen mithalten. Mit Namensaufschrift in Zuckerguss fuer alle, sogar fuer den Milchmann.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Der NHS, Paracetamol und die Schweinegrippe

Jeder Auswanderer hat sicher etwas anderes, was er aus der Heimat vermisst. Wuerde man jedoch eine Umfrage unter Deutschen in England zu diesem Thema veranlassen, bin ich mir ziemlich sicher, dass das deutsche Gesundheitswesen bei vielen recht weit oben stehen wuerde. Das staatliche englische Gesundheitswesen, der National Health Service (NHS), ist beruehmt und beruechtigt fuer, im Vergleich zu deutschen Verhaeltnissen, zum Teil katastrophale Zustaende.
Fairerweise sollte man festhalten, dass der NHS allen eine Grundversorgung zusichert und ich persoenlich bis jetzt zumeist einigermassen gute Erfahrungen gemacht habe, wenn man einige anfaengliche Befremdlichkeiten ueberwunden hat, wie z.B. die Tatsache, dass man mit Kindern grundsaetzlich zum Hausarzt und nicht zum Kinderarzt geht, auf den Neugeborenenstationen junge Muetter meist zu sechst in einem Zimmer liegen (da verwundert es nicht, dass die Entlassung in der Regel nach einem Tag erfolgt), Verhuetungspillen von Krankenschwestern verteilt werden und die Kindervorsorgeuntersuchungen (von denen es ohnehin nur zwei gab)kuerzlich in weiten Teilen des Landes abgeschafft wurden.
Jeder den ich kenne, kann mindestens eine Geschichte zum besten geben. Sei es der Bandscheibenvorfall, der mit Paracetamol behandelt wurde, der Krebsverdaechtige, der 9 Monate auf einen Termin mit dem Spezialisten warten musste oder die Geburt, die auf dem Gang stattfand, weil kein Kreissaal frei war.
Und obwohl ich nun dachte, ich haette schon einiges an Berichten vom NHS gehoert und so leicht, wuerde mich nichts mehr schocken, hoerte ich doch gestern staunend und leicht unglaeubich eine Radiowerbung vom NHS, die im wesentlichen besagte "Falls Sie denken, Sie koennten mit der Schweinegrippe infiziert sein, bitte gehen sie nicht zu ihrem Hausarzt. Kaufen Sie sich stattdessen ein paar nicht rezeptpflichtige Medikamente aus der Apotheke." Bitte?
Aha, dachte ich, vielleicht habe ich das falsch verstanden mit der Epidemiegefahr und googelte spasseshalber Schweingegrippe im deutschen Web. Und bereits die erste Website zum Thema enthielt die Mitteilung, dass man bei Verdacht unbedingt den Arzt aufsuchen sollte.
Aber ich bin kein Spezialist wenn es um Medizin geht und vielleicht verlaufen ja Grippewellen in Deutschland anders als in England. Oh, ich musste gerade niesen. Wahrscheinlich Zeit fuer ein bisschen Paracetamol.

Freitag, 3. Juli 2009

Ein Kreisverkehr kommt selten allein

Seitdem ich eine Mutter bin, gibt es so einige Sachen, die mich ploetzlich mit Unbehagen erfuellen, die ich vorher ganz unbekuemmert tat. Ich habe schon von anderen Muettern gehoert, die nach der Geburt Flugangst bekamen. Bei mir ist es das Auto fahren. Als wir noch in London wohnten, haette ich deshalb auch niemals freiwillig vorgeschlagen, mal eben eine Runde mit dem Auto zu drehen um in den Supermarkt zu fahren. Da schleppte ich schon lieber alles (Rucksack, Taschen und meist quengelndes Kind) und nahm den Bus.

Mit dem Umzug aufs Land blieb mir keine Wahl. Ploetzlich gab es keinen Bus mehr, der in den Supermarkt fuhr, keinen Tante-Emma-Laden in Laufnaehe und den Bahnhof auch nur umstaendlich zu erreichen.
Meine erste Autofahrt auf dem englischen Land fand irgendwann im letzten Herbst statt. Teilnehmer dieser ersten historischen Fahrt waren:

- ein grosser Autofanatiker; schreiend: "Was machst du mit meinem Auto???!!!"

- ein kleiner Autofanatiker; schreiend: "Papa soll Auto fahren."

- ein Baby; schlafend

- ich; schreiend, ohne verstaendliche Worte

Danach hielt ich es fuer angemessen, ein paar Fahrstunden mit einem neutralen Fahrlehrer zu nehmen. Die erste Fahrstunde; ich biege gutgelaunt (da niemand im Auto schreit) aus unserer Ausfahrt auf die Strasse. Der Fahrlehrer fragt sehr ruhig:

"Und, auf welcher Strassenseite fahren wir in diesem Land?"

Ich wechsle schweigend die Strassenseite...

An die sozusagen falsche Strassenseite habe ich mich nach den ersten Startschwierigkeiten schnell gewoehnt, auch dass Gangschaltung und Handbremse nun mit der linken Hand bedient werden wollen, ist kein Problem (merke: Bremse und Gas aendern ihre Position nicht!) aber mit einigen englischen Strassenverkehrsbesonderheiten dauert es etwas laenger.


Da ist zum Beispiel die Tatsache, dass Englaender grundsaetzlich auf der Autobahn die mittlere Spur benutzen. Ich suche bis heute das Schild, auf dem steht "Das Benutzen der linken Spur ist nur fuer LKWs erlaubt; PKWs haben diese Spur tunlichst zu meiden."

Und dann natuerlich der Kreisverkehr. Es gibt sie in allen Groessen und Formen, mehrspurig und wenigerspurig, mit Ampel und ohne. Kann sich noch jemand an den Film "Hilfe, die Amis kommen" mit Chevy Chase erinnern. Falls nicht hier die Kurzzusammenfassung: Eine amerikanische Familie gewinnt eine Reise nach Europa und jedes Land, das sie bereisen, wird voller Klischees dargestellt. Mir ist vor allem eine Szene erinnerlich: Familie Griswold verbringt einen ganzen Tag in London auf einem roundabout. Immer wieder rundherum.
Mein liebster Kreisverkehr ist der mini-roundabout. Ich nehme an, Englaender muessen ihre Kreisel sehr lieben. Warum sonst sollte jemand auf die Idee kommen, auf einer ganz gewoehnlichen Hauptstrassenkreuzung mit einer Nebenstrasse einen Kreis auf die Strasse zu malen. Gleich bei uns in der Naehe gibt es so einen Miniaturkreisverkehr. Aus der Strasse von rechts habe ich da noch nie jemanden kommen gesehen. Aber statt nun geradeaus an der unbelebten Nebenstrasse vorbeizufahren, muessen alle Autos einen kleinen Schlenker fahren.
Warum das so ist, ist mir zwar nicht ganz einleuchtend aber ich versuche das mit den Augen des kleinen Autofanatikers zu sehen. Der findet Schlenker auf der Strasse naemlich toll. Besonders wenn man dabei singt. Und jetzt alle (auf die Melodie von "The wheels on the bus go round and round"): "Der Kreisverkehr geht rundherum, rundherum, rundherum."

Nachtrag: Was Grosse von Kleinen lernen koennen

Gestern fiel mir noch ein weiterer Punkt auf meiner Liste des letzten Posts auf, deshalb moechte ich heute hinzufuegen:

5. Direktheit - gestern naemlich war unsere Nachbarin mit ihrer 3-jaehrigen Tochter bei uns zum Spielen. Nach einer Weile bettelte diese "Kann ich biiiiitte das Schlafzimmer vom kleinen Autofanatiker sehen." Sie wurde zwar von ihrer Mutter geruegt, dass das doch unhoeflich waere und ich will mich auch keinesfalls gegen Hoeflichkeitserziehung aussprechen, verbringe ich doch selbst viele Stunden taeglich damit, aber mal ganz ehrlich - wie gern haette ich bei unserem Besuch bei den Nachbarn auch mal gesagt "Kann ich jetzt bitte mal eure Schlafzimmer sehen? Ich kann immer nur die eine Ecke von unserem Haus aus erkennen."

Montag, 29. Juni 2009

Was grosse Maenner von kleinen Maennern lernen koennen

Nun ist es mit der Erziehung von Kindern ja so, dass man ihnen alles Moegliche beibringen moechte. Manches gelingt besser, manches gelingt schlechter. Manches kann man 1000 Mal sagen und es klappt trotzdem nicht. Manches klappt, oh Wunder, dann doch irgendwann. Den kleinen Autofanatiker habe ich zum Beispiel mittlerweile im "Entschuldigung" sagen so gut trainiert, dass er sich nun schon entschuldigt wenn das Baby nur weint auch wenn es gar nicht seine Schuld war (was selten genug vorkommt).

Aber manchmal koennen die grossen Menschen auch etwas von den kleinen Menschen lernen. Da ich ja mit drei Maennern zusammenleben, moechte ich meine Behauptung einmal geschlechtsspezifisch illustrieren. Hier meine kleine Liste, was grosse Maenner so von kleinen Maennern lernen koennen:

1. Toilettengewohnheiten - Kleinen Maennern kann man sehr gut beibringen, auf der Toilette im SITZEN zu pinkeln. Grosse Maenner haben da eher ein kleineres Lernpotential. Der kleine Autofanatiker hat zudem geradezu einen fanatischen Eifer entwickelt, mit der Klobuerste die Toilette auch noch zu saeubern. Ein gutes Vorbild fuer alle grossen und kleinen Maenner! Nur dass er sein Haufchen stolz allen Leuten zeigen moechte, koennte er sich noch abgewoehnen.

2. Spontane Zuneigungsbekundungen - Der grosse Autofanatiker ist bekanntlich Englaender und Englaender sind bekanntlich in der Regel mit einer steifen Oberlippe aber nicht leidenschaftlichem Heissblut gesegnet. Das finde ich auch gar nicht stoerend, nur manchmal koennten sich grosse Englaender von kleinen Englaendern durchaus eine Scheibe abschneiden wenn es um spontane Umarmungen, Kuesschen und andere Zuneigungsbekundungen den naeheren Angehoerigen gegenueber geht.

3. Sich Zeit nehmen und ganz im Moment leben (natuerlich gilt das nicht nur fuer grosse Maenner sondern fuer alle grossen Leute) - manchmal kann dies anstrengend sein (der kleine Autofanatiker z.B. durchlief eine Phase in der jedes Auto auf der Strasse ehrfurchtsvoll und zaertlich angefasst werden musste) aber trotzdem bin ich der Meinung, dass uns Grossen in unserem oft hektischen Alltag und gestresst sein ueber oft nichtige Dinge, solche Momente des Innehaltens, Langsamseins und Einfach-nur-im-Augenblick-Verweilens auch gut tun.

4. Kommunikationsfaehigkeit - Kuerzlich ueberhoerte ich ein Gespraech zwischen der Mutter des grossen Autofanatikers und ihm:

"Wie geht es euch?"

"Gut"

"Und wie geht es dem kleinen Autofanatiker?"

"Gut"

"Und wie geht es dem Baby?"

"Gut"

Was sollte die arme Grossmutter dazu noch sagen? Der kleine Autofanatiker - obwohl nicht unbedingt eines der gespraechigsten Kinder - haette mir auf aehnliche Anfragen ganz bestimmt umfassendere Antworten gegeben (auch wenn dabei eventuell wieder einmal der Toepfcheninhalt Erwaehnung gefunden haette).

Also da gibt es durchaus einiges, wo Kinder mit gutem Beispiel voranschreiten koennen. Und ich nehme gern Anregungen fuer eine Erweiterung der Liste entgegen!

Feeling hot, hot, hot oder Der Segen der Zweisprachigkeit

Es ist heiss hier diese Woche. Die Temperaturen befinden sich in den Endzwanzigern und gegen Ende der Woche sollen sie sogar die 30 Grad Marke ueberschreiten. Grund genug fuer das britische Wetteramt eine Hitzewellenwarnung auszugeben. Moeglicherweise greift sich der eine oder andere ans Kontinentalklima gewoehnte Deutsche nun leicht zweifelnd an den Kopf um diesen verwundert zu kratzen. 30 Grad und Hitzewelle? Ich erinnere mich gut an den vergangenen Sommer in Deutschland, in dem das Thermometer regelmaessig die 30 Grad ueberschritt. Von einer Hitzewelle sprach meiner Meinung nach da niemand. Aber wer in England lebt, weiss dass jedes Wetter, was leicht vom Normalen abweicht, regelmaessig fuer Chaos sorgt. Blaetter auf den Gleisen? Der Zug hat Verspaetung. Doch ich weiche ab.

Wenn man bedenkt, dass man hier ab spaetestens Maerz und dem ersten Sonnenschein kurze - je nach Geschlecht - Roecke oder Hosen, T-Shirts und Flip Flops sieht, muss einen eine Hitzewellenwarnung bei 30 Grad nicht mehr wundern. Stattdessen bleibt die Frage, was traegt man bei 30 Grad, wenn die Kleidungsstuecke fuer 10 Grad schon recht knapp bemessen sind. Die Antwort ist: nicht viel. Und dies bringt mich zur Ueberschrift meines Posts.

Der kleine Autofanatiker waechst ja zweisprachig auf, wobei der wohl groesste Vorteil zweisprachiger Erziehung ganz klar die Tatsache ist, dass die Kinder fliessend zwei Sprachen sprechen. Heute jedoch hatte ich wieder einmal Gelegenheit einen eher weniger oft diskutierten Nutzen von Bilingualitaet zu erleben. Wir waren unterwegs und wie bereits festgestellt, es ist heiss und man traegt wenig, sehr wenig. Ein leicht uebergewichtiger Mann war nur noch mit einer recht kurzen Hose und sonst gar nichts unterwegs, was der kleine Autofanatiker lautstark und in Hoernaehe des Mannes kommentierte. Eine Situation, in der sich sicher die meisten Eltern frueher oder spaeter einmal befinden. Doch statt schamvoll zu erroeten und schnellstens das Weite zu suchen, wie ich das in Deutschland getan haette, konnte ich hoch erhobenen Hauptes weitergehen, denn natuerlich hatte der kleine Autofanatiker seine zwar unschuldigen aber in der Erwachsenenwelt nicht ganz politisch korrekten Bemerkungen auf Deutsch gemacht und es ist davon auszugehen, dass der Mann davon nichts verstanden hat. Zumindest wuenschte er uns noch freundlich einen "Guten Morgen".

Mein heutiges Fazit ist daher: es lebe die Zweisprachigkeit! Und sei es nur um Mama vor einer Peinlichkeit zu bewahren.

Freitag, 26. Juni 2009

Recycling auf Englisch

In meiner ersten Zeit in England war das Wort Muelltrennung hier praktisch unbekannt. Nie werde ich das Gesicht einer damaligen Arbeitskollegin vergessen, als ich sie fragte, wo denn die Batterien zu entsorgen seien. "Wie wo? Im Muell natuerlich." Und das Gesicht sagte dazu noch "Komische Deutsche. Was fuer eine Frage."

Seitdem hat sich einiges geaendert. Letzte Woche teilte die Lokalverwaltung an alle Haushalte in der Gegend neue Muelltonnen aus. Nun haben wir vor unserem Haus eine Ansammlung von Muelltonnen. Ich habe mir die Muehe gemacht sie zu zaehlen und komme auf fuenf Muelltonnen. Das sind fuenf Muelltonnen vor unserem Haus, fuenf vor dem Haus unserer Nachbarn und so weiter und so fort. Kein Problem wenn man ein grosses Haus hat aber wenn man in einem der typischen Reihenhauserchen wohnt? Nicht so huebsch. Aber ich will mich nicht in die Reihe der Meckerer und Jammerer einreihen, die kuerzlich sogar im BBC zu Wort kamen und die anscheinend immer noch nicht begriffen haben, dass Klimakatastrophen auch vor der eigenen Haustuer bekaempft werden koennen. Muelltrennung ist wichtig und gut.

Zusammen mit den neuen Muelltonnen kam auch ein 15-seitiges Heftchen, dass die neue Muellsortierung erklaerte. Ha, dachte ich, ich komme aus Deutschland, wir trennen schon seit Jahren in die verschiedensten Tonnen, da habe ich kein Problem damit. Weit gefehlt. Genaueres Studium ergab folgende Muellzuweisung auf die verschiedenen Tonnen:

- graue Tonne: Plastikflaschen und braunes Papier
- gruener Muellkasten: weisses Papier und Glas (alle Farben)
- gruene kleine Tonne: Essensreste
- braune Tonne: Gartenmuell (aber bitte keine Essensreste)
- gruene Tonne: Restmuell

Alles klar? Fragt sich gerade jemand, wo denn die anderen Plastikverpackungen hinkommen? Ja, die koennen nach wie vor nicht recycelt werden.
Faehrt man nur ein paar Kilometer nach Suedwestlondon, dann kann man seinen gesamten Plastikmuell recyclen aber dafuer sieht es schlecht aus mit den Essensresten. In Nordlondon kann man dann wieder nur sein Papier und seine Dosen vom Restmuell trennen.

Aber das ist noch nicht alles. Nach einer Woche muehsamer Konsultation des Heftchens und sorgfaeltiger Trennung von braunem und weissem Papier, hatten wir die erste Muellabfuhr der grauen Tonnen. Die gruenen Tonnen mit Restmuell werden jetzt nur noch aller zwei Wochen abgeholt. Also fuhr ich ganz wohlgemut gestern abend unsere graue Tonne vor's Haus und beobachtete wie unser Nachbar, gerade eine gruene Tonne auf die Strasse rollte. Nanu, hatte er das Heftchen nicht gruendlich genug studiert?

"Nein, die Tonne ist nur fuer Windeln. Die wird jede Woche abgeholt. Ruf doch mal bei der Lokalverwaltung an, dann koennt ihr auch so eine bekommen."

Wer weiss, was es da noch so fuer Tonnen gibt, wenn ich da erst mal nachfrage. Da koennte mir noch so einiges einfallen. Eine Muelltonne fuer alle roten Schraubverschluesse vielleicht? Ich wuensche mir diese Woche jedoch eine Muelltonne fuer Trotzanfaelle. Rein und weg damit.

Mittwoch, 24. Juni 2009

Kindergartenschlangen, Vaeter und Finanzkrisen

Es ist allgemein bekannt, dass Englaender Schlange stehen. Gern Schlange stehen. Bevor ich nach England kam, dachte ich, die Schlange an der Bushaltestelle sei nur ein Witz den Auslaender erfunden hatten. Aber da irrte ich mich. Ganz ordentlich geht es an den Bushaltestellen zu (zumindest an denen ausserhalb Londons).
So ordentlich geht es auch an der Schlange am Kindergarten zu. Mittags um 12 Uhr hole ich den kleinen Autofanatiker aus dem Kindergarten ab. Auch alle anderen Muetter und Nannies holen ihre Kinder um 12 Uhr aus dem Kindergarten ab und stellen sich ganz huebsch und ordentlich einer hinter der anderen an. Die Gespraeche drehen sich um die eigenen Kinder, fremde Kinder, den Kindergarten, Schulwartezeiten und natuerlich das Wetter.
Doch seit einiger Zeit hat sich etwas an der Schlange geaendert: es sind Maenner zu sehen. Erst wurde nur ein einzelner Vater gesichtet, der sich unter den ganzen Frauen sichtlich unwohl fuehlte. Ein paar Tage spaeter waren es schon zwei und neulich war ich fast die einzige Mutter, die ihr Kind noch selbst abholte. Ploetzlich drehten sich die Gespraeche nicht mehr um Kinder und Schulen sondern um Autos, Fussball und noch mehr Autos.
Und waehrend ich so vereinsamt in der Schlange stand und weder zum Thema Fussball noch zum Thema Autos etwas beitragen konnte, sinnierte ich darueber, dass die Finanzkrise, die die ganzen Vaeter nun nach Hause geschickt hatte, das erreicht hat, was Frau von der Leyen mit ihrem Erziehungsgeld fuer daheimbleibende Vaeter erreichen wollte. Familienpolitik auf Englisch. Gibt es fuer neugebackene Vaeter hier nach der Geburt nur zwei Wochen frei, so schafft die Finanzkrise ganz neue Perspektiven fuer Papa. Mehr und mehr Frauen finden sich ploetzlich in der Rolle der Alleinverdiener in der Familie, waehrend die Vaeter nun Zeit fuer ihre Sproesslinge haben. Ist die Finanzkrise und damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit hier in England also die Antwort auf das oft beklagte Problem des ueberproportionalen weiblichen Einflusses auf Kinder in den ersten Lebensjahren? Im Moment scheint es so. Aber ich hoffe nicht fuer lange, denn die Fussballgespraeche in der Kindergartenschlange langweilen mich!