Mittwoch, 24. Juni 2009

Kindergartenschlangen, Vaeter und Finanzkrisen

Es ist allgemein bekannt, dass Englaender Schlange stehen. Gern Schlange stehen. Bevor ich nach England kam, dachte ich, die Schlange an der Bushaltestelle sei nur ein Witz den Auslaender erfunden hatten. Aber da irrte ich mich. Ganz ordentlich geht es an den Bushaltestellen zu (zumindest an denen ausserhalb Londons).
So ordentlich geht es auch an der Schlange am Kindergarten zu. Mittags um 12 Uhr hole ich den kleinen Autofanatiker aus dem Kindergarten ab. Auch alle anderen Muetter und Nannies holen ihre Kinder um 12 Uhr aus dem Kindergarten ab und stellen sich ganz huebsch und ordentlich einer hinter der anderen an. Die Gespraeche drehen sich um die eigenen Kinder, fremde Kinder, den Kindergarten, Schulwartezeiten und natuerlich das Wetter.
Doch seit einiger Zeit hat sich etwas an der Schlange geaendert: es sind Maenner zu sehen. Erst wurde nur ein einzelner Vater gesichtet, der sich unter den ganzen Frauen sichtlich unwohl fuehlte. Ein paar Tage spaeter waren es schon zwei und neulich war ich fast die einzige Mutter, die ihr Kind noch selbst abholte. Ploetzlich drehten sich die Gespraeche nicht mehr um Kinder und Schulen sondern um Autos, Fussball und noch mehr Autos.
Und waehrend ich so vereinsamt in der Schlange stand und weder zum Thema Fussball noch zum Thema Autos etwas beitragen konnte, sinnierte ich darueber, dass die Finanzkrise, die die ganzen Vaeter nun nach Hause geschickt hatte, das erreicht hat, was Frau von der Leyen mit ihrem Erziehungsgeld fuer daheimbleibende Vaeter erreichen wollte. Familienpolitik auf Englisch. Gibt es fuer neugebackene Vaeter hier nach der Geburt nur zwei Wochen frei, so schafft die Finanzkrise ganz neue Perspektiven fuer Papa. Mehr und mehr Frauen finden sich ploetzlich in der Rolle der Alleinverdiener in der Familie, waehrend die Vaeter nun Zeit fuer ihre Sproesslinge haben. Ist die Finanzkrise und damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit hier in England also die Antwort auf das oft beklagte Problem des ueberproportionalen weiblichen Einflusses auf Kinder in den ersten Lebensjahren? Im Moment scheint es so. Aber ich hoffe nicht fuer lange, denn die Fussballgespraeche in der Kindergartenschlange langweilen mich!

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