Dienstag, 23. Februar 2010

Ja, wo ist er denn nur?

Ich habe etwas verloren. Nichts was man wiederfindet, wenn man das ganze Haus durchsucht. Oder was im Fundbüro liegen könnte. Wahrscheinlich habe ich ihn schon vor einer Weile verloren, aber einfach nicht vermisst. Aber kürzlich, da fiel es mir auf. Und das kam so:

Freitags gehe ich in eine Krabbelgruppe mit dem Baby. "Und kann Deiner schon laufen?"
"Ja, meiner konnte schon mit 9 Monaten laufen. Und Deiner?"
"Ja, mittlerweile gehts ganz gut. Die Mama von der Jennifer hat mir auch erzählt, dass die Jennifer schon mit 9 Monaten laufen konnte. Erstaunlich."
"Ja, aber die Mama von der Jennifer hat ja auch behauptet, dass die Jennifer schon Zweiwortsätze sagen kann. Wer's glaubt. Wie heißt Deiner eigentlich?"
"Baby. Und Deiner?"
"Das ist der Kevin."

Danach rief ich im Kindergarten an.
"Ja, hallo, hier ist die Mama vom kleinen Autofanatiker."

Und da erkannte ich es plötzlich: ich hatte meinen Vornamen verloren. Schon seit einer Weile heiße ich nicht mehr Julia sondern wahlweise "Mama vom Baby" oder "Mama vom kleinen Autofanatiker". Habe ich meinen Vornamen schon im Kreissaal gelassen, als ich vom kleinen Autofanatiker entbunden wurde oder kam das ganz schleichend? Ich weiß es gar nicht mehr, anscheinend habe ich auch einen Teil meiner Erinnerungen verloren. Jedenfalls, weg ist er. Aber nicht nur meiner. Sämtliche Mütter, die ich aus der Kindergartenschlange oder verschiedenen Krabbelgruppen flüchtig kenne, kenne ich auch nur als "Mama vom....". Ob er wohl wieder zu mir zurückkommt? Irgendwann?

Vielleicht schon. Aber bis dahin kann ich mich durchaus mit meinen zwei neuen Vornamen abfinden. Nur wenn der große Autofanatiker statt meines Namens "Mama" sagt, dann beschwere ich mich. Das geht zu weit.


Donnerstag, 18. Februar 2010

Ein verspätetes Hellau

Es gibt ja Leute, ziemlich viele sogar, die finden Fasching richtig toll. Die sind jetzt traurig, dass es wieder vorbei ist, die gehen in den Karnevalsverein und feiern am 11.11. den Beginn der närrischen Zeit, die sagen so Sachen wie "Hellau" und "Alaaf". Ich persönlich gehöre da eher nicht dazu. Ich missgönne den Faschingsfreunden ja nicht ihren Spaß an der 5. Jahreszeit, aber mir fehlt dafür die Begeisterung. Sicher, als Kind bin ich auch von Haus zu Haus gezogen, im Prinzessinkostüm, um Süßigkeiten einzusammeln. Aber hätte meiner Kindheit etwas Wesentliches gefehlt, wenn ich diese Erfahrung nicht hätte machen können? Ich habe da meine Zweifel. Zumindest kann ich mir das sehr gut einreden, denn jetzt leben wir in England und ich habe die Gelegenheit, Traditionen aus Deutschland, die ich nicht so schön finde, meinen Kindern einfach nicht weiterzugeben. Eigentlich bin ich ja immer sehr daran interessiert, dass meine Kinder auch alle deutschen Bräuche mitbekommen, aber dieser Tage bin ich zu der Einsicht gekommen, dass ich schließlich nur die pflegen muss, die ich auch will.

Aber es kommt noch besser. Hier verkleiden sich nämlich die Kinder zu Halloween und gehen von Haus zu Haus, um sich Süßigkeiten zu erbetteln. Ganz so also, wie ich das aus Deutschland vom Faschingsdienstag kenne. Musste ich deshalb an Halloween meine Kinder in Kostüme stecken und mit ihnen die Nachbarschaft unsicher machen? Aber nein, ich erklärte im vergangenen Herbst einfach allen Leuten, die es wissen wollten, das sei einfach eine englische Tradition, mit der ich gar nichts anfangen könne und deshalb, leider, leider, machen wir da auch nicht mit.

Da bin ich fein um das Kostümieren und Klingeln an fremden Haustüren herumgekommen. Mal sehen, wann der kleine Autofanatiker und sein Bruder das von mir einfordern, wenn sie sehen, dass ihre anderen kleinen Freunde sich an Halloween in Kürbisse und Skelette verwandeln. Da der kleine Autofanatiker allerdings schon Kinderschminken ablehnt, habe ich die Hoffnung, dass ich noch ein paar Jahre Glück haben werde. Zumindest an Halloween, denn in den Schulen scheint Verkleiden hier große Mode zu sein. Vielleicht als Gegenpol zu den Schuluniformen? Naja, ich kann mich noch genau an meinen Prinzessinenrock erinnern, er war grün und hatte Perlen drauf und war wunderschön. Solche Erfahrungen will ich meinen Kindern natürlich auch nicht vorenthalten.

Dienstag, 9. Februar 2010

Dreisprachige Erziehung

In verschiedensten und entlegensten Regionen der Welt gibt es kleine deutsche Enklaven, deutsche Dörfer, die von Auswanderern gegründet wurden und wo immer noch das Deutsch gesprochen wird, das man in Deutschland zur Zeit der Auswanderung sprach, da sich die Sprache in diesen abgeschnittenen Orten ja nicht weiterentwickelt hat, wie sie das in der Sprachheimat tat.

Ich will nicht behaupten, dass mein Haushalt auf dem besten Wege ist, eine solche sprachliche Enklave zu werden, aber ich musste doch daran denken, als es sich neulich herausstellte, dass ich ein Wort immer falsch verwendete. In meinem heimatlichen Dialekt (den ich im übrigen nur mangelhaft beherrsche, das war der Beweis) gibt es das wunderschöne Wort "ausbutzeln", den man verwendet, wenn  man sich nach dem Aufwachen noch ein bisschen im Bett räkeln und kuscheln möchte. Jahrelang hatte ich jedoch den kleinen Autofanatiker gefragt, ob er denn noch ein bisschen "ausbRutzeln" möchte. Ja ganz richtig, braten statt kuscheln. Hätte dies nicht zufällig jemand aus meiner Verwandschaft gehört, wäre der kleine Autofanatiker in dem Glauben großgeworden, dass das Wort tatsächlich "brutzeln" heißt und hätte es vielleicht noch seinen Kindern beigebracht. 

Dies hat mich aber schon zu der Frage gebracht, was ich vielleicht den Kindern noch alles falsch beibringe in Sachen deutscher Sprache. Schließlich lernen die Kinder hauptsächlich von mir deutsch und können sich nicht in der Schule, mit Freunden oder im Fernsehen rückversichern, dass das wirklich alles so stimmt. Zumindest fahren wir - im Gegensatz zu den Auswandern des 19. Jahrhunderts - recht oft nach Deutschland oder bekommen Besuch und wir haben hier auch eine deutsche Kirchgemeinde und einige deutsche Freunde (die aber vielleicht das gleiche Problem haben, vor allem wenn sie schon einige Zeit hier leben).

Und dann gibt es natürlich noch die Gefahr von Denglisch. Meist kann der kleine Autofanatiker sehr gut zwischen den beiden Sprachen unterscheiden, aber zuweilen kommt es schon mal zu Wortschöpfungen wie "Snowschuhe". Manchmal ist es schon verführerisch, solche Worte in den allgemeinen Sprachgebrauch aufzunehmen, weil sie so hübsch sind, aber dann sind wir wirklich auf dem besten Weg, eine Sprachenenklave zu schaffen, die nur wir verstehen.

Also, ab jetzt wird hier nur noch gutes Deutsch gesprochen. Ohne Anglizismen. OK? Ähm, ich meine, alles klar? Und vielleicht halte ich mich vom Dialekt ganz fern. Nur zur Sicherheit. Zweisprachige Erziehung für die Kinder reicht ja auch.

Dienstag, 2. Februar 2010

Josh und die Haare

Der kleine Autofanatiker hat seit Neuestem einen besten Freund im Kindergarten: Josh. Also hier nur mal so unter uns, eigentlich darf ich ja gar nicht Josh sagen. "Nur ich darf Josh sagen, du musst Joshua sagen."

Jeden Tag nach dem Kindergarten höre ich neue Geschichten von Josh. Josh muss wohl ein ganz toller Kerl sein.

Ich kann Josh gut leiden. Eigentlich kenne ich Josh gar nicht weiter, aber ich weiß, dass er kurze Haare hat. Im Gegensatz zum kleinen Autofanatiker. Der hat lange Haare und weigert sich, zum Friseur zu gehen. "Mama, du machst das." Jetzt hat er lange und auch noch verschnittene Haare.

Aber seitdem der kleine Autofanatiker Josh bewundert, will er auch kurze Haare haben. Zum Friseur will er deshalb zwar immer noch nicht, aber immerhin darf ich ihm nun mit der Haarschneidemaschine - ein gruseliges Ding, das noch gruseligere Geräusche von sich gibt - die Haare schneiden. Während des Haare-schneidens vergaß er immer mal wieder, dass er ja eigentlich so kurze Haare wollte wie Josh und ich musste ihn dann erinnern. Mit Erfolg. Jetzt hat er zumindest hinten schön geschnittene Haare. Vorn habe ich mich noch nicht getraut. Vielleicht frage ich da lieber erst noch mal die Mama vom Josh, wie sie das so macht.

Und ich überlege schon, was der Josh wohl noch alles so gern macht. Bestimmt geht er sehr gern schwimmen. Das getraut sich nämlich mein kleiner Angsthase nicht, aber vielleicht klappt's ja, wenn der Josh sich das getraut. Außerdem hat der Josh einen Hund. Das weiß ich, weil der eines Tages mit in den Kindergarten kam. Das war allerdings noch vor dem Beginn der Freundschaft. Der kleine Autofanatiker fand das doof, weil er Hunde doof findet, aber vielleicht ändert sich das ja jetzt auch und er fängt nicht mehr jedes Mal an zu schreien, wenn wir einem Hund auf der Straße begegnen.

Da tun sich ganz neue Möglichkeiten auf. Josh ist ja sogar noch besser als der Weihnachtsmann, so als Überzeugungsmittel.

Jetzt muss ich aber erst mal die Haare wegsaugen. Bevor das Baby versucht, sie zu essen. Wie der Hund vom Josh.