Dienstag, 31. August 2010

Von kahlen Köpfen und Lutscherhimmeln

Da mein Blogeintrag der vergangenen Woche meine Mutter doch etwas traurig stimmte, wollte ich noch anmerken, dass ich meine Kindheit durchaus nicht in "doofer" Erinnerung habe!

Das Wort DOOOOOOOOF war jedoch vor einigen Tagen in meinem Kopf das vorherrschende Wort, wenn ich mich auch sehr bemühte, es nicht laut auszusprechen wegen der Vorbildwirkung und so. Ich berichtete bereits an anderer Stelle von den Haaren des kleinen Autofanatikers und seiner Weigerung, zum Friseur zu gehen (leider weiß ich nicht, wie man hier Artikel verlinkt, aber es war im Februar). Seit einigen Monaten bemühte ich mich daher mehr schlecht als recht seine Haare mittels Schneidemaschine einigermaßen ansehnlich kurz zu halten.

Am Donnerstag Abend war einmal wieder der Moment gekommen, an dem ich die langen Haare nicht mehr ertragen konnte. Ich holte also die kleine nützliche Maschine aus dem Schrank und hielt sie ihm an den Hinterkopf um kurz darauf entsetzt abzubrechen: eine kahle Stelle grüßte mich, weil ich vergessen hatte, den Kamm aufzusetzen (ich kenne mich da in der Friseurterminologie leider nicht so gut aus). Erschrocken fiel mir das Gerät aus der Hand und ich weigerte mich, es jemals wieder in dieselbe zu nehmen. Der kleine Autofanatiker, der meinen Gesichtsausdruck sah (zum Sprechen war ich noch zu schockiert), meinte ganz gelassen: "Das macht doch nichts Mama, die Haare wachsen doch wieder." Der liebe Junge, aber er konnte ja seinen Hinterkopf auch nicht sehen. Wahrscheinlich war ihm auch sofort klar geworden, dass er mich beruhigen musste, sonst würde ich ihn zum Friseur schleppen wollen. Darum würden wir aber dieses Mal nicht herumkommen.

Bereits am Abend kam es zu Tränen, weil er überhaupt gar nicht einsah, dass man nur wegen einer kleiner kahlen Stelle auf dem Kopf gleich zu so drastischen Mitteln wie dem Friseur greifen musste. Auch nachts hörte ich ihn noch im Schlaf murmeln "Ich gehe nicht zum Friseur."

In wenig positiver Stimmung machten wir uns also am nächsten Morgen auf in die Stadt. Beim ersten Friseur verbrachten wir 20 Minuten. Das Kind schrie und weigerte sich. Der Friseur gab dem Baby, das zufrieden in seinem Buggy saß, einen Lutscher.

Beim nächsten Friseur verbrachten wir fast 30 Minuten. Der Friseur und ich versuchten beide, den kleinen Autofanatiker von einem Haarschnitt zu überzeugen. Das Kind schrie und weigerte sich. Der Friseur gab dem Baby, das nach dem ersten Lutscher nun noch zufriedener in seinem Buggy saß, den zweiten Lutscher des Tages.

Danach war ich bereit aufzugeben. Der kleine Autofanatiker wollte nun jedoch auch einen Lutscher und schrie deshalb auf offener Straße. Nachdem ich ihm das Versprechen abgenommen hatte, dass er nun auch ganz sicher und wirklich mitmachen würde, wagten wir uns zum dritten Friseur des Tages. Und tatsächlich: mit ergebenem Gesichtsausdruck ließ er alles mit sich machen und am Ende sahen die Haare sogar ganz gut aus. Trotz kahler Stelle. Schließlich bekam er auch noch seinen Lutscher. Das Baby bekam den dritten Lutscher des Tages. Und alle waren glücklich. Aber das nächste Mal gehe ich mit dem kleinen Autofanatiker in eine andere Stadt zum Friseur.

Dienstag, 24. August 2010

Alles doof wie immer

Kürzlich las ich, dass die neueste Mode in England, die natürlich aus Amerika kommt, sogenannte Cringe-Parties sind. Bei solcherart dem Wort nach also extrem peinlichen Veranstaltungen bringt jeder sein altes Tagebuch mit und gibt dann vor der versammelten Partygesellschaft Auszüge aus demselben zum Besten. Angeblich soll das to-tal viel Spaß machen.

Da meine Abende voll wilder Parties heutzutage begrenzt sind und ich bei meinem letzten Besuch daheim vor wenigen Wochen mein altes Tagebuch fand, dachte ich, ich feiere hier eine kleine private Cringe-Party und veröffentliche ein paar Eindrücke aus meinem beachtlichen Frühwerk:

4.Januar 1988 (einige Wochen vor meinem 11.Geburtstag): Schule wieder angefangen, super doof.
5. Januar: Schule super doof. Ich wünsche mir das Buch "Anna".
6. Januar: Schule super doof, keine Klavierstunde. Ich bin krank.
7. Januar: Immer noch krank. Nicht gut geschlafen.
8. Januar: Immer noch krank. Derrick angeguckt, sehr schön.

Offensichtlich zeigte sich schon früh mein Talent, meine Gefühle in eloquenter Art und Weise auszudrücken. Die Einträge der nächsten Tage sind weiterer eindeutiger Beweis dafür:
11. Januar: Live aus dem Schlachthof mit Günther Jauch angeguckt, Silvia Seidel war dabei, wunderschön. Immer noch krank, aber ich muss morgen wahrscheinlich wieder in die Schule.
12. Januar: Wieder gesund. Schule doof wie immer. Alf angeguckt, ganz lustig.

Schließlich am nächsten Tag, das Drama schlägt zu:
13. Januar: Hitparade 19.30 Uhr, wir hatten kein Bild im ZDF! Schule und Klavierstunde doof wie immer.

Und so vergingen die Monate des Jahres 1988. Nach einigen Wochen hatte ich offensichtlich die Lust verloren und es gibt längere Pausen. Am 10.April heißt es dann: "Heute will ich dir endlich mal wieder schreiben. Gestern abend habe ich Eiskunstlaufen gesehen, als ich dann umgestellt habe, kam gerade Silvia Seidel. Von Ina habe ich jetzt einige Bravos geborgt bekommen. In vielen waren Silvia Seiden und Patrick Back. Super!" Und gerade wenn man denkt, jetzt ist alles toll, kommt der überraschende Schluss dieses Eintrags "Es war ein doofer Nachmittag. Tschüß Deine Julia"

Im Mai schließlich werden die Einträge etwas reflektierter:
19.Mai: Ich lebe im 6.Himmel. Klavierstunde und Schule machen einen fertig.
20.Mai: Ich intterresiere mich jetzt mehr für Pflanzen. (Bitte????? Wenn ich mir unseren Garten angucke, scheint das Interesse an der Pflanzenwelt leider nur kurz angehalten zu haben).

Und damit endet mein Tagebuch für 1988. In diesem Sinne, allen eine schöne Woche so doof wie immer.

Dienstag, 10. August 2010

Good bye Ryanair, hello Lufthansa

Morgen fliegen wir für's Erste zum letzten Mal mit Ryanair.

Lange habe ich Ryanair die Treue gehalten. Die Preise waren trotz aller Zuschläge immer noch unter allen Vergleichspreisen. Seit vor einiger Zeit Airberlin und Lufthansa ihre Direktflüge in den Südosten Deutschlands eingestellt hatten, war es zudem die einfachste und schnellste Methode um hierher zu gelangen. Pünktlich waren sie in den allermeisten Fällen außerdem. Michael O'Learys Stellungnahmen fand ich lange unterhaltsam und die Flugbegleiterinnen machten meist einen normalen Eindruck, neben denen man sich nicht gleich eingeschüchtert wie ein graues Mäuschen fühlte, wie bei den furchteinflößenden Kolleginnen der Lufthansa.

Aber so ganz langsam wuchs der Unmut über den Billigflieger. Es fing damit an, dass vor einigen Jahren, als ich endlich Kinder hatte und mit diesen nun eigentlich zuerst hätte einsteigen dürfen, dies nur noch gegen Bezahlung möglich war. Manchmal habe ich schon dafür bezahlt, aber die Kosten für alles und jede noch so kleine Leistung stören mich mehr und mehr. Ein Interview, das ich kürzlich mit Ryanairs kauzigem Oberiren las, bestätigte den Eindruck, dass bei Ryanair der Kunde wirklich als Letztes kommt. Am allermeisten aber wurde mir das Ryanairerlebnis duch schiebende und schubsende Mitreisende vergällt, die auf der Jagd nach den guten Plätzen auch kein Problem damit haben, eine alleinreisende Frau mit zwei kleinen Kindern aus dem Weg zu drängen (fairerweise muss man allerdings auch sagen, dass ich auf allen Flügen auch immer nette und hilfsbereite Menschen getroffen habe).

Seit einiger Zeit fliegt Lufthansa wieder direkt nach Sachsen. Und das zu günstigen Preisen, die sich, wenn mal alles zusammenrechnet, gar nicht mehr von Ryanair unterscheiden. Deshalb kommen wir bei unserem nächsten Besuch mit Lufthansa. Auch wenn mir die Stewardessen Angst machen.

Dienstag, 3. August 2010

Mission deutsche Brezel

Vorige Woche erstand ich eine Brezel. Eine deutsche Brezel. Schließlich kam sie vom deutschen Bäcker in Richmond und war nach deutschem Rezept gebacken. Also eindeutig deutsch, auch wenn sie Deutschland noch nie gesehen hatte. Einige Tage drückte sie sich in meiner Tasche herum und als ich später in der Woche nach Deutschland flog, befand sie sich immer noch in meinem Gepäck. Und da dachte ich, ich könnte ihr ja jetzt mal Deutschland zeigen. Ihr unbekanntes Heimatland.

Natürlich habe ich keine Ahnung, was sie von Deutschland hielt. Das Kommunikationspotenzial einer Brezel ist sehr beschränkt. Aber ich musste doch darüber nachdenken, ob sie wohl wirklich eine deutsche Brezel war und ob Deutschland für sie ihre Heimat war.

Wie bei meinen Jungs. Dem Pass nach sind die Deutsche, aber werden sie auch mal Deutsche sein, deren Heimatland Deutschland ist, wenn sie groß sind? Obwohl wir oft nach Deutschland fahren und obwohl sie sich im Moment fließend in beiden Sprachen verständigen können, verbringen sie doch den Hauptteil ihrer prägenden Zeit in England. Und das Wort Heimat gibt es schließlich nicht ohne Grund nur in der Einzahl.

Aber vielleicht wachsen sie ja weiterhin zwischen ihren zwei Ländern auf und schaffen es, in beiden Ländern eine Heimat zu finden. Die Hoffnung habe ich. Und der kleine Autofanatiker erklärte auch erst diese Woche seinem kleinen Bruder, als der bei etwas meinte "zu Hause": "Aber das ist doch hier unser Deutschland-Zuhause."

Die Brezel jedenfalls wurde in ihrer deutschen Erst- oder Zweitheimat nicht alt: das Baby verschlang sie am Ende auf dem Weg vom Flughafen zu Oma und Opa...