Donnerstag, 27. September 2012

In den alten Tagen

Kürzlich erzählte ich dem kleinen Autofanatiker ein bisschen aus meiner Kindheit im tiefen Osten Deutschlands. Verglichen mit seiner Welt, muss ihm das altertümlich erschienen sein: kein Internet, kein Handy, nicht mal ein normales Telefon, kein Auto (was?????) und nur einmal in der Woche wurde der Badeofen angeheizt (Aber Mama, wie habt ihr euch denn da GEWASCHEN???).

Deshalb hätte ich mich eigentlich nicht über unserern heutigen Dialog wundern müssen. Ich erzählte ihm von einem Krankenhausbesuch in meiner Kindheit.

"Mama, war das Krankenhaus dreckig?", fragte der kleine Autofanatiker neugierig.

"Wie, was meinst du denn?", entgegnete ich zunächst unverständig. Kurz darauf wurde mir klar, warum er die Frage gestellt hatte und es hatte nichts mit dem Badeofen zu tun: Im Moment behandelt er Florence Nightingale in der Schule und "wie sie die Krankenhäuser besser gemacht hat, so dass sie nicht mehr dreckig waren" (jetzt mal von einem 6-Jährigen zusammengefasst). Offensichtlich hatten meine Geschichten aus den "alten Tagen" bei ihm im Kopf ein Bild entstehen lassen, das sich lückenlos mit der Zeit von Florence Nightingale in Verbindung bringen lies.

Natürlich weiß ich, dass ich in den Augen meiner Kinder alt bin, aber so alt hätte ich dann doch nicht erwartet. 

Montag, 24. September 2012

Höfliche Engländer

Ich weiß nicht, wie Ihr das gelernt habt, aber ich habe noch in der Schule beigebracht bekommen, dass die korrekte Antwort auf die Frage "How do you do?" ebenfalls "How do you do?" ist. Ich habe das zwar im richtigen England noch nie tatsächlich erlebt (vielleicht grüßt man sich so in Kreisen, in denen ich nicht verkehre), aber es sagt doch etwas Typisches über mein Gastgeberland aus: Höflichkeit steht über Ehrlichkeit. Das klingt jetzt vielleicht etwas negativ. Es hat aber auch eine positive Seite: Ein Engländer kann gerade das linke Bein verloren haben, er würde trotzdem noch auf die Frage nach seinem Wohlbefinden antworten "Ach ja, danke, ganz gut. Wie wäre es mit einer Tasse Tee?" Natürlich erwarte ich auch in Deutschland keinen ausführlichen Bericht, wenn ich jemandem als Begrüßung ein "Na, wie geht's?" zurufe, aber ich denke mal, dass man da schon eher antworten würde "Im Moment leider nicht so gut.", wenn man eben ein Körperteil verloren oder andere Missstände zu beklagen hätte.

Gestern konnte ich mich davon überzeugen, dass dieser nationale Charakterzug bereits von Dreijährigen verinnerlicht ist. Der kleine Autofanatiker und der lustig Mann haben nämlich seit Kurzem Schwimmunterricht. Gestern war die zweite Stunde. Ein kleiner Junge weinte und schrie die gesamten 30 Minuten, wenn er dem Wasser nur mit den Füßen nahe kam. Am Ende fragte der Schwimmlehrer alle Kinder, ob es ihnen Spaß gemacht habe. Der kleine Junge antwortete mit verquollenen Augen "Ja, sicher".

Mein halbdeutscher lustig Mann antwortete wesentlich ehrlicher "Och, eigentlich nicht so viel", obwohl er kein einziges Mal geweint hatte (direkt freudig hatte er allerdings auch nicht teilgenommen).

Montag, 17. September 2012

Lieblingsgerichte

Weitere Artikel zum Thema Lieblingsessen gibt es auf http://hupila.blogspot.co.uk/.

Mein Lieblingsessen: Von Toast und Torten

Mein heutiges Lieblingsessen war ein Stück Geburtstagstorte. Heute nämlich ist mein Baby ein Jahr alt geworden.

Mein Lieblingsessen vor genau einem Jahr war etwas bescheidener, aber es schmeckte besser als alle Torten der Welt. Es handelte sich dabei um eine Scheibe Toast, auf der die Butter geschmolzen war und eine Tasse Tee mit Milch (ich lebe eben schon eine Weile in Großbritannien...).

Es war eine harte Nacht gewesen. Früh um 9 Uhr war es endlich geschafft und das Baby tat seinen ersten Schrei. Da das Baby daheim in meinem Schlafzimmer geboren wurde, saß ich einige Zeit später in meinem Bett, das kleine Neugeborene lag schlafend neben mir. Der große Autofanatiker war mit den zwei Großen vor eventuellen Geburtsdramen zum Frühstück außer Haus geflüchtet. Die Hebamme war schon gefahren. Kurz bevor sie ging, hatte sie mir noch einen Toast und einen Tee gemacht und ans Bett gebracht. Und da war ich also. Staunend betrachtete ich das kleine Wunder neben mir. Alles war ruhig. Zufrieden ließ ich mir den Toast und den Tee schmecken. Nie hat ein Toast besser geschmeckt.

Aber Geburtstagstorte ein Jahr später ist natürlich auch sehr lecker. Ich muss gleich mal gucken, ob noch was da ist. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag Baby!

Sonntag, 9. September 2012

Ein Engländer und sein Picknick

Natürlich unternehmen wir auch in Deutschland Picknicks. Aber es ist wohl nicht so Teil unserer Kultur wie hier in England. Das merkt man zum Beispiel schon daran, dass man zum wichtigsten britischen Opernfestival, dem Bayreuth Englands sozusagen, einen Picknickkorb mitbringt. Und was man in Glyndebourne kann, können wir natürlich auch.

Kürzlich haben wir das schöne Wetter ausgenutzt und unserern Picknickkorb gepackt. Fröhlich fuhren wir zu einer Parkanlage in unserer Nähe. Als wir auf dem Parkplatz ankamen, mussten wir feststellen, dass unser Picknickplan einen fundamentalen Fehler enthielt: Wir waren nur zwei Erwachsene und hatten mehrere Körbe mit Essen, dazu ein Baby und zwei kleinere Kinder. Vom Parkplatz zum eigentlichen Park waren es jedoch ungefähr 15 Minuten zu laufen. Keiner der beiden Erwachsenen hatte selbstverständlich Lust, den Weg zweimal (mindestens) zu laufen. Was sollten wir nun tun?

Nun, wenn ein Engländer ein Picknick machen möchte, dann hält ihn nichts davon ab (normalerweise ist das Regen, aber das war in dem bestimmten Fall nicht einmal das Problem) und so fand der grosse Autofanatiker schnell eine Lösung. Der hintere Teil des Parkplatzes war etwas durch Büsche abgetrennt und auch noch völlig leer. Ein idealer Ort also für ein romantisches Picknick (ich hoffe, ihr hört den leisen ironischen Unterton, ich bin eben kein Picknick-fanatischer Engländer..).

Wir schleppten unsere Sachen auf den vereinsamten Teil des Parkplatzes und packten unser Essen aus. Der Parkplatz begann sich in dem Moment leider zu füllen. Aber die Engländer haben eben Verständnis für die Picknick-Liebe ihrer Mitmenschen: Ein Auto nach dem anderen fuhr auf den hinteren Teil des Parkplatzes und drehte ganz brav wieder um, als sie unserer Familie ansichtig wurden.

Erst ganz am Ende unseres Picknicks wagte sich ein Auto in unsere Nähe. Der Pointe halber würde ich jetzt gern schreiben, dass es sich um deutsche Touristen handelte, das wäre aber eine dreiste Lüge.

Sonntag, 2. September 2012

Neue Wege in der Kinderbetreuung?

Vor ein paar Wochen las ich, dass eine Londoner Firma ihren Mitarbeitern seit Kurzem erlaubt, ihre Kinder unter einem Jahr mit ins Büro zu bringen. Bei durchschnittlichen 1000 Pfund, die man im Monat für einen Krippenplatz in England berappen muss, ein Angebot, dass schon aus finanziellen Gründen für viele sicher überlegenswert ist.
 
Aber wie sieht das in der Praxis aus? Ich habe Probleme, mir das vorzustellen. Ich arbeite nämlich von zu Hause. Mit einem Kind unter einem Jahr. Das sieht dann ungefähr so aus: Ich setze mich an den Computer, das Baby sitzt im Laufstall. Ich beginne gerade, mich zu konzentrieren, das Baby beginnt zu schreien, weil ihm langweilig ist und er will jetzt unbedingt raus. Ich setze das Baby auf den Fussboden und mich wieder an den Computer. Das Baby krabbelt zu den Computerkabeln und zieht daran herum. Ich hole eine Spielzeugkiste. Baby beschäftigt sich für ein paar Minuten damit. Ich beginne wieder, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren und sehe gerade noch aus den Augenwinkeln, wie das Baby durch die Tür verschwindet und sich in schnellem Tempo auf die Treppe zubewegt. Arbeit effektiv geschafft: Keine. Fazit: Arbeiten kann ich nur, wenn das Baby schläft. Meine Wochenarbeitszeit beträgt damit nich all zu viele Stunden und das geht auch nur, weil mein Verdienst im Moment nicht zum Familieneinkommen beitragen muss.
Sollte das bei den Leuten im Büro anders sein? Mit einem Neugeborenen mag das ja noch besser gehen, aber sobald das Kind mobil ist, kann ich mir nicht vorstellen, wie man gleichzeitig Kind und Arbeit gerecht wird. Krippenkosten gespart dafür Job verloren? Und man bringt sich um das Beste, was die Arbeit in einem Büro zu bieten hat (zumindest war es bei mir so, als ich nach einem Jahr Auszeit mit dem kleinen Autofanatiker wieder auf Arbeit war): eine kinderfreie Mittagspause.