Dienstag, 29. September 2009

Loblied auf den Herbst

Man braucht wieder eine Jacke, wenn man das Haus verlässt. Regen und Sonnenschein wechseln sich ab. Nein, ich meine nicht einen ganz normalen Sommertag in England. Es wird Herbst. Die Blätter rascheln auf den Wegen, der Himmel ist tiefblau, wenn die Sonne scheint und an manchen Regentagen wird es gar nicht mehr richtig hell.
Mancher bedauert nun, dass die warmen Sommermonate vorbei sind, aber auch der Herbst hat schöne Seiten. Hier kommt meine persönliche, kleine Liste von angenehmen Sachen, die uns der Herbst bringt:
1. Endlich scheint nicht schon ab früh um 5 Uhr die Sonne ins Zimmer und weckt kleine Kinder, die nun von Dunkelheit umgeben auch etwas länger im Bett bleiben.
2. Spielplätze sind zweifellos eine sehr schöne Erfindung. Aber nachdem ich die letzten Monaten fast täglich wenigstens ein paar Minuten auf dem einen oder anderen Spielplatz verbracht habe, benötige ich dringend eine Pause. Und wenn man das Wetter so richtig schön schlecht ist, hat man einen perfekten Entschuldigungsgrund, nicht auf den Spielplatz gehen zu müssen. Spielplatz, wir sehen uns im Frühling wieder!
3. Manch einer mag mir da widersprechen, aber ich schwitze nicht gern. Wahrscheinlich habe ich mich schon so sehr an das englische Leben gewöhnt, denn bei Temperaturen über 20 Grad fange ich an zu stöhnen "Es ist zu warm". Ab 25 Grad bin ich praktisch lebensunfähig. Nun kann ich wieder aus dem Haus gehen ohne das Bedürfnis, alle Sachen sofort von mir zu werfen.
4. Vor ein paar Wochen kaufte ich mir einen neuen Pullover. Sehr hübsch. Täglich lauerte ich darauf, ihn endlich anzuziehen, aber es war immer zu warm. Auch die Kinder haben eine neue Herbstgarderobe, denn die Sommersachen werden langsam zu klein. Endlich können wir uns der Öffentlichkeit im neuen Staat präsentieren.
5. Unser Spielzimmer sieht ganz schön verrumpelt aus. Die Spielsachen liegen wüst durcheinander im Regal, ein paar Autos müssten mal in die Werkstatt da Reifen, Kotflügel und ähnliches fehlen. Aber bei schönem Sommerwetter darf man ja nicht einfach so im Haus sein, denn schließlich muss man das schöne Wetter nutzen. Jetzt freue ich mich eigentlich darauf, mit gutem Gewissen drinnen zu bleiben und mal die ganzen Sachen zu machen, die in den letzten Monaten warten mussten.
6. Herbst- und Wintersachen sind ja überall lang. An den Armen und an den Beinen. Die unschöneren Körperteile, die im Sommer unweigerlich zur Schau gestellt wurden, lassen sich wieder gut verstecken. Und dann kann man sich natürlich auch ein hübsches Winterfell zulegen und muss nicht jedes Mal, wenn man einen Rock trägt, noch mal an den Beinen nachzupfen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen schönen Herbst.

Dienstag, 15. September 2009

Wo Blicke noch töten können... naja oder fast

Morgen fahren wir nach Deutschland. Vorher muss ich noch so einiges erledigen von Packen über Putzen bis hin zur Nahrungsvertilgung (ja, auch Schokolade kann in zwei Wochen schlecht werden, da will ich lieber kein Risiko eingehen).
Deshalb habe ich nicht viel Zeit für eine längere Geschichte, aber möchte doch gern eine kleine Anekdote mit euch teilen, die ich diese Woche erlebte. Ich berichtete ja bereits an anderer Stelle von den hochgezogenen Augenbrauen und stechenende Blicken, die Engländer so wunderbar beherrschen. Bevor sich ein Engländer in Worten beschwert, dauert es gewöhnlicherweise eine Weile. Wenn sich etwa jemand in einer Schlange vordrängeln will, wird der Delinquent zunächst mit Blicken gestraft. Eine Art der Kommunikation, die Ausländern natürlich zunächst einmal fremd ist und häufig an denselben abprallt vom eigenen Durchbohrblick ganz zu schweigen. Diese Woche jedoch konnte ich unter Beweis stellen, dass ich schon eine Weile hier wohne und mich an landestypische Gewohnheiten angepasst habe.
In den Supermärkten gibt es hier überall Parkplätze für Eltern und Kleinkinder, die allerdings auch trotz großer Verbotsschilder von Autofahrern ohne Kinder zu meinem Ärger (und dem anderer Eltern, die sich mit mehrern kleinen Kindern und vollen Taschen abmühen) genutzt werden. Wir hatten gerade auf einem solchen Parkplatz geparkt, als neben mir ein Auto einbog, das ganz eindeutig kein Kind im Auto hatte. Da tat ich etwas, was sonst wahrscheinlich in keinem anderen Land eine Wirkung gezeigt hätte: ich bestrafte den Autofahrer mit einem intensiven und bösen Blick. Dieser legte den Rückwärtsgang ein und parkte ganz ordentlich und zahm in einer normalen Parklücke. Ich konnte es nicht fassen. Ich stand kurz davor in die Luft zu springen, vor Siegesfreude zu juchzen und dabei meine Faust zu schütteln. Aber ich bin, ich bemerkte es bereits, assimiliert. Und so lächelte ich nur ein bißchen vornehm vor mich hin.

Dienstag, 8. September 2009

Die Hyänen sind wieder da

Gestern war der erste Tag im Kindergarten nach den Sommerferien. Fröhlich machten wir uns auf den Weg. Der kleine Autofanatiker war fröhlich, weil er wieder in den Kindergarten durfte. Ich war fröhlich, weil ich mal wieder ein paar Stunden mit dem Baby allein hatte und weil der kleine Autofanatiker fröhlich war, denn nach so einer langen Pause, hätte ich schon fast ein paar Tränen erwartet. Dass er so freudestrahlend wieder in den Kindergarten lief, fand ich auch eigentlich fast gar nicht beleidigend.
Meine Fröhlichkeit erhielt den ersten Dämpfer als ich vor dem Kindergarten als erstes the bitch sah. Sie war in ein Gespräch mit zwei anderen Müttern vertieft. Beim Näherkommen bemerkte ich, dass eines der Kinder eine Karte an sich hatte. Eine Karte????? Und ein anderes Kind hatte lauter kleine Muffins in einem Korb in der Hand. Selbstgebacken selbstverständlich. Ich gab meinem Drang, schreiend wegzulaufen, nicht nach und konnte daher nicht umhin, das Gespräch mitanzuhören. Dabei stellte sich heraus, dass die dritte Mutter, deren Kind weder Karte noch Muffins hatte, die Mrs Kindergärtnerin in den Ferien zu einer Show mit Jonathan Ross (ungefähr der englischen Entsprechung von Harald Schmidt) eingeladen hatte! Wie bitte??
Die daraufhin ertönenden "WürgÄtz"-Geräusche aus meiner Richtung wurden von der kleinen Gruppe ignoriert. Überhaupt ist die Hyäninnen-Gruppe sehr gut im gezielten Ignorieren. Mir ist nur noch nicht ganz klar, ob das ein allgemeines Ignorieren niederer Menschen ist oder ob sie mich speziell ignorieren. Oder aber vielleicht haben sie ja etwas gegen meine Nationalität. Schließlich ging es hier erst diese Woche durch die gesamte Presse, dass der Immigranten-Babyboom den britischen Steuerzahler 1 Milliarde Pfund kostet. Mit zwei nur halb-britischen Kindern bin ich daran selbstverständlich nicht ganz unschuldig. Ob ich mich bei ihnen entschuldigen sollte? Stellvertretend für alle Immigranteneltern an alle Briten?
Vielleicht beim nächsten Mal. Heute waren nämlich erst mal wieder die Väter in der Kindergartenschlange. Wie wohltuend direkt und sachlich.

Dienstag, 1. September 2009

Sommerfeiertag

Gestern war hier ein Feiertag. Der sogenannte summer bank holiday. Nun mag sich der eine oder andere fragen, was gab es zu feiern. Schließlich hat in Deutschland jeder arbeitsfreie Tag fürs ganze Volk einen spezifischen Grund. Ob es nun ein wichtiger Tag für das Christentum oder für den Staat ist, so ganz einfach ohne Anlass wird nicht gefeiert. Anders in England. Bis heute habe ich nicht genau verstanden, warum es einen Sommerfeiertag (und im Mai einen Frühlingsfeiertag) gibt. Laut Wikipedia gibt es den Feiertag bereits seit 1871 und wurde von einem gewissen Sir John Lubbock eingeführt. Zum Warum schweigt das Online-Lexikon jedoch. Aber nun gut, wie heißt es doch in dem Sprichwort so schön: Einem geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul. Ein langes Wochenende ist ein langes Wochenende und das soll man doch genießen, warum auch immer es länger ist als andere Wochenenden.
Das Wetter war ein typisches bank holiday Wetter: es gab einen Mix aus Sonne und Regen und das Thermometer bewegte sich kaum über die 20 Grad Marke. Am Samstag waren wir zu einer Gartenparty eingeladen. Damit meine ich keinen Grillabend bei Freunden sondern eine Gartenparty in einem englischen Herrenhaus mit Jazzband, Champagner und anderen hübschen Dingen. Eine längere Diskussion ergab sich daheim darüber, was man denn tragen solle zu einer Gartenparty. Der große Autofanatiker war für Shorts und Sommerkleid (Begründung: "Die Sonne scheint doch!"). Ich war für lange Hosen und dicke Jacke (Begründung: "Die Sonne scheint auch im Winter."). Am Ende trug jeder was er für angemessen hielt und die Kinder und ich hatten eine tolle Zeit beim Trommel-Workshop, im Kleintierstreichelzoo und bei Kuchen und Eis während der große Autofanatiker, der nur aus beruflichen Gründen zur Gartenparty gekommen war, Gespräche über Computer führen musste. Tja, das Leben ist nicht fair.
Am Sonntag hatten wir Freunde zum Grillen eingeladen. Es regnete, wir grillten. Wer lässt sich schon von einem Regenschauer stören? Sicher kein Engländer.
Der bank holiday Montag wird von Engländern traditionellerweise in einem Heimwerkermarkt verbracht. So ziemlich alle Engländer, die ich kenne, sind kleine Heimwerkerkönige. Dabei geht es nicht darum, wie geschickt oder gut die Kunst des Heimwerkens beherrscht wird. Ich vermute, ein großer Teil der Freude ist der Besuch des Heimwerkermarktes. Ich erinnere mich noch deutlich an das Leuchten in den Augen des großen Autofanatikers, als wir zum Frühlingsfeiertag im Mai den größten Baumarkt Europas besuchten. Ein Kind zu Weihnachten hätte sich nicht mehr freuen können. Leider wollten auch viele andere Leute eine Weihnachtsfreude im Frühling haben, weshalb ich zum Sommerfeiertag einen weiteren Besuch ablehnte.
Und das war unser bank holiday Wochenende. Jetzt müssen wir bis zu Weihnachten auf den nächsten Feiertag warten. Aber das dauert ja auch nicht mehr lange (siehe mein letzter Post).