Ach ja, Schuldgefühle. Jede Mutter kennt sie wahrscheinlich. Manchmal kommt es mir gerade so vor, als wären sie ein Synonym für Mutterschaft. Mutter sein heißt, sich wegen irgend etwas schuldig zu fühlen. Und etwas lässt sich immer finden. Da sind natürlich einmal die Sachen, die man eventuell bei seinem Kind falsch macht. Das Kind angefahren, jetzt endlich die Schuhe anzuziehen, weil man selbst gerade hektisch die Autoschlüssel sucht und die Schule in fünf Minuten beginnt? Bingo, Schuldgefühle. Schnell Nudeln mit Ketchup gemacht, statt etwas Richtiges zu kochen? Ja, Schuldgefühle. Bei der fünfzigsten "Warum"-Frage nicht mehr zugehört? Schuuuldgefühle. Mit dem Weihnachtsmann gedroht? Das Kind in den Kindergarten geschickt, weil man arbeiten möchte? Das Kind nicht in den Kindergarten geschickt und so wichtige Lernchancen verpasst? Schuldgefühle, Schuldgefühle, Schuldgefühle!
Gestern wurde mir allerdings bewusst, dass es noch eine ganze Reihe neuer Schuldgefühle gibt, die ich bis jetzt noch ziemlich vernachlässigt hatte und das kam so: Der kleine Autofanatiker war nach der Schule zu seinem besten Freund mit nach Hause gegangen. Es war seine zweite Nachmittagsverabredung nach der Schule, bei der ich nicht dabei war und nach einer Stunde rief mich die Mutter an, dass der kleine Autofanatiker weinend bei ihr daheim sitze, weil er lieber nach Hause wollte. So weit kein Problem (und auch nicht völlig überraschend, ich erinnere mich selbst an schlimme Heimwehattacken aus meiner Kinder- und sogar noch Jugendzeit und - wie meine Schwester zu sagen pflegt - man erbt ja immer das Schlechte von den Eltern...). Ich ging also den kleinen Autofanatiker abholen. Sein kleiner Freund nun allerdings brach darüber in Tränen aus, weil er nicht wollte, dass der kleine Autofanatiker nach Hause ging. Noch auf der Straße konnten wir das arme Kind weinen hören. Und ich fühlte mich sehr, sehr schuldig. In Stellvertretung für mein Kind. Wo soll das noch hinführen? Werde ich mich noch schuldig fühlen, wenn dereinst meine Söhne eventuell einige Frauenherzen brechen werden oder lässt sich die Büchse mit den Schuldgefühlen, die bei der Geburt geöffnet wurde, auch irgendwann wieder schließen?
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